Der Spion, der aus der Kälte kam
zahlen?«
»Ich natürlich«, sagte Ashe schnell. »Sam und ich.«
»Habt ihr das ausgemacht?«
»Nein.«
»Weil ich kein Geld habe, verdammt! Du weißt das doch! Jedenfalls habe ich keines zum Rauswerfen.«
»Freilich, Alec. Ich habe mich doch auch bis jetzt um dich gekümmert, oder nicht?«
»Ja«, antwortete Leamas. »Ja, das hast du.«
Es sah so aus, als wolle er noch etwas sagen, überlege es sich dann aber anders. Ashe schien weniger beleidigt als vielmehr beunruhigt zu sein, und Kiever wirkte so undurchsichtig wie zuvor.
Leamas wollte während der Fahrt im Taxi nichts sagen. Ashe versuchte es mit einer versöhnlichen Bemerkung, aber Leamas zuckte nur gereizt mit den Achseln. Als sie in der Wardour Street angekommen waren, machten weder Leamas noch Kiever irgendeinen Versuch, das Taxi zu zahlen. Ashe führte sie an einem Schaufenster voller Aktmagazine vorbei, eine enge Gasse hinunter, an deren entfernterem Ende ein flimmerndes Neonschild leuchtete: »Weidenkätzchenklub. Nur Mitglieder.« Zu beiden Seiten der Tür hingen Fotos von Mädchen, über die quer dünne Papierstreifen liefen, die mit der Hand geschrieben waren: »Naturstudium. Nur Mitglieder.«
Ashe drückte auf die Glocke. Sofort wurde von einem sehr großen Mann in weißem Hemd und schwarzen Hosen aufgemacht. »Ich bin Mitglied«, sagte Ashe. »Diese zwei Herren gehören zu mir.«
»… Ihre Karte sehen?«
Ashe nahm eine gelbe Karte aus seiner Brieftasche und reichte sie ihm.
»Ihre Gäste zahlen für sofortige Mitgliedschaft ein Pfund pro Kopf. Auf Ihre Empfehlung, recht so?« Er hielt Ashe die Karte hin, Leamas schob sich an Ashe vorbei und nahm sie. Er betrachtete sie einen Augenblick und gab sie dann zurück.
Leamas zog zwei Pfund aus der Tasche und drückte sie dem wartenden Mann in die Hand.
»Zwei Pfund für die Gäste«, sagte Leamas. Er ignorierte den erstaunten Protest Ashes, schlug den Vorhang am Klubeingang zurück und ging ins Halbdunkel voraus.
Er sagte zu dem Portier: »Verschaffen Sie uns einen Tisch und eine Flasche Scotch. Und sorgen Sie dafür, dass wir in Ruhe gelassen werden.«
Der Portier zögerte einen Augenblick, entschied sich aber dafür, nicht zu widersprechen, und geleitete sie nach unten, von wo ihnen das gedämpfte Wehklagen undeutlicher Musik entgegenklang. Sie bekamen im hinteren Teil des Raumes einen Tisch für sich. Eine Zweimannkapelle spielte, und mehrere Mädchen saßen zu zweit und zu dritt herum. Zwei waren aufgestanden, als sie hereinkamen, aber der Portier winkte ihnen ab. Ashe schaute unruhig auf Leamas, während sie auf den Whisky warteten. Kiever schien leicht gelangweilt zu sein. Der Kellner brachte eine Flasche und drei Gläser, und sie beobachteten schweigend, wie er Whisky in jedes Glas einschenkte. Leamas nahm dem Kellner die Flasche aus der Hand und goß die gleiche Menge nach. Als er damit fertig war, lehnte er sich über den Tisch und sagte zu Ashe: »Vielleicht wirst du mir jetzt erklären, was hier vor sich geht.«
»Wie meinst du das?« Ashe war unsicher. »Was meinst du damit, Alec?«
»An dem Tag, als ich entlassen wurde«, begann Leamas ruhig, »bist du mir schon vom Gefängnis nachgelaufen, und zwar mit einer albernen Geschichte über unsere angebliche Begegnung in Berlin. Dann hast du mir Geld gegeben, das du mir nicht schuldig warst. Du hast mich zu teuren Mahlzeiten eingeladen und du nimmst mich in deine Wohnung auf.«
Ashe wurde verlegen und sagte: »Wenn dir das …«
»Unterbrich mich nicht«, sagte Leamas wütend. »Warte gefälligst, bis ich fertig bin, verstanden? Deine Mitgliedskarte für dieses Lokal ist auf den Namen Murphy ausgestellt. Ist das dein Name?«
»Nein, das ist er nicht.«
»Ich nehme an, ein Bekannter namens Murphy hat dir seine Mitgliedskarte geliehen?«
»Nein, das hat er nicht. Wenn du es schon wissen mußt: ich komme manchmal her, um mir ein Mädchen aufzulesen. Ich wollte nicht mit dem richtigen Namen in den Klub eintreten.«
»Warum ist am Dolphin Square dann Murphy als der Mieter deiner Wohnung eingetragen?«
Jetzt schaltete sich Kiever ein: »Geh nach Hause«, sagte er zu Ashe. »Ich werde mich um das Weitere kümmern.«
Auf der Bühne wurde ein Striptease vorgeführt. Das Mädchen war ein junges, langweiliges Ding. Sie war von jener armseligen, spindeldürren Nacktheit, die in Verlegenheit versetzt, weil keine Erotik von ihr ausgeht und weil sie kunstlos ist, ohne Verlangen zu wecken. Sie drehte sich langsam, wobei sie nur manchmal
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