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Der Spion, der aus der Kälte kam

Titel: Der Spion, der aus der Kälte kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Überlegenheit, da man zusammen erlebt hat, dass die Nacht entschwand, und man den Tag hatte kommen sehen. Das Personal trug jene Mienen zur Schau, die vom Mysterium des Tagesanbruches geformt und von der Kälte belebt werden, und sie behandelten die Passagiere und ihr Gepäck mit dem inneren Abstand, den Männer haben, die von der Front zurückgekehrt sind: Gewöhnliche Sterbliche gab es an diesem Morgen nicht für sie.
    Kiever hatte Leamas mit Handgepäck versehen. Das war ein nettes Detail und erregte Leamas' Bewunderung: Passagiere ohne Gepäck erregten Aufmerksamkeit, und das gehörte sicher nicht zu Kievers Plan. Sie ließen sich am Schalter ihrer Fluggesellschaft abfertigen und folgten den Wegweisern zur Paßkontrolle. Es gab einen seltsamen Augenblick, als sie sich verliefen und Kiever zu einem Träger grob wurde. Leamas nahm an, dass Kiever wegen des Passes nervös war. Er braucht das nicht zu sein, dachte Leamas, es ist alles in Ordnung.
    Der Paßbeamte war ein jugendlicher kleiner Mann mit einem geheimnisvollen Abzeichen an seinem Rockaufschlag. Er hatte einen rötlichen Schnurrbart und einen nordenglischen Akzent, den er vergeblich zu unterdrücken versuchte.
    »Werden Sie lange weg sein, Sir?« fragte er Leamas. »Sie müssen achtgeben, Sir. Der Paß läuft diesen Monat ab.«
    »Ich weiß«, sagte Leamas.
    Sie gingen Seite an Seite in den Wartesaal für Passagiere. Auf dem Weg dorthin sagte Leamas: »Sie sind ein argwöhnischer Gauner, was, Kiever?«, und der andere lachte erleichtert.
    »Müssen Sie ein bißchen an der Leine halten, nicht wahr? Gehört zum Vertrag«, antwortete Kiever.
    Sie hatten noch zwanzig Minuten zu warten. Sie setzten sich an einen Tisch und bestellten Kaffee. »Und nehmen Sie das hier mit«, sagte Kiever zum Kellner, indem er auf gebrauchte Tassen, Untertassen und Aschenbecher auf dem Tisch zeigte.
    »Es kommt ein Abservierwagen vorbei«, erwiderte der Kellner.
    »Nehmen Sie es weg«, wiederholte Kiever, der schon wieder gereizt war. »Es ist widerlich, schmutziges Geschirr herumstehen zu lassen.«
    Der Kellner drehte sich um und ging weg. Er ging weder zur Theke noch bestellte er ihren Kaffee. Kiever war weiß im Gesicht, krank vor Ärger.
    »Hören Sie um Gottes willen auf«, murmelte Leamas. »Das Leben ist zu kurz.«
    »Ein frecher Lümmel ist das«, sagte Kiever.
    »Gut, gut. Machen Sie ruhig eine Szene. Es wäre der richtige Moment dafür. Man wird uns hier nie vergessen.«
    Die Formalitäten auf dem Flughafen in Den Haag verursachten keine Probleme. Kiever schien sich von seinen Ängsten erholt zu haben. Er wurde munter und gesprächig, als sie die kurze Entfernung vom Flugzeug zur Zollabfertigung zurücklegten. Der junge holländische Beamte widmete ihrem Gepäck und den Pässen nur einen oberflächlichen Blick und verkündete in ungeschicktem, gutturalem Englisch: »Ich wünsche einen angenehmen Aufenthalt in den Niederlanden.«
    »Danke«, sagte Kiever fast zu leutselig, »danke vielmals.«
    Vom Zoll gingen sie durch den Korridor zur Eingangshalle auf der anderen Seite der Flughafengebäude hinüber. Kiever steuerte auf den Hauptausgang zu, durch kleine Menschengruppen hindurch, die geistesabwesend auf die Auslagen von Parfümerie-, Foto- und Obstkiosken starrten. Als sie ihren Weg durch die Drehglastür nahmen, schaute Leamas zurück. Am Zeitungskiosk, vertieft in eine Ausgabe der Continental Daily Mail, stand eine kleine froschartige Gestalt mit einer großen Brille: ein ernster, mit Sorgen beladener kleiner Mann. Er sah aus wie ein Staatsbeamter. Oder so etwas Ähnliches.
    Auf dem Parkplatz wurden sie von einem Volkswagen mit einer holländischen Nummer erwartet. Die Frau, die hinter dem Steuer saß, nahm keine Notiz von ihnen. Sie fuhr langsam und hielt an Verkehrsampeln immer schon bei gelbem Licht. Leamas zog daraus den Schluß, dass man ihr diese Fahrweise vorgeschrieben hatte, damit ein anderer Wagen folgen konnte. Er beobachtete den Außenrückspiegel rechts und versuchte, den Wagen zu erkennen, aber ohne Erfolg. Er sah einmal einen schwarzen Peugeot mit einer CD-Nummer, aber als sie dann um die Ecke bogen, war nur noch ein Möbeltransporter hinter ihnen. Er kannte Den Haag ziemlich gut vom Krieg her, und er versuchte herauszubekommen, wo es hinging. Er schätzte, dass sie auf eine Stelle nordwestlich von Scheveningen zufuhren. Sie hatten bald die Vororte passiert und näherten sich einer Villenkolonie, die zwischen Dünen und Meer lag. Hier hielten sie. Die

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