Der Spion, der aus der Kälte kam
Da sagte ich ihnen, wenn sie schon so scharf darauf wären, mir Geld nachzuwerfen, dann sollten sie doch das Nächstliegende tun und mir meine volle Dienstzeit anrechnen, anstatt dauernd von der Unterbrechung zu schwatzen. Daraufhin wurden sie sauer. Sie steckten mich zu den Frauen in die Bankabteilung. An diese Periode kann ich mich nicht recht erinnern - ich fing etwas zu trinken an. Verlor ziemlich an Kondition.« Er steckte sich eine Zigarette an.
Peters nickte.
»Das war der wirkliche Grund, warum sie mich entließen. Sie sahen es nicht gerne, dass ich trank.«
»Erzählen Sie wenigstens, woran Sie sich von der Bankabteilung noch erinnern können«, schlug Peters vor.
»Es war eine langweilige Angelegenheit. Ich bin nicht für Büroarbeit geschaffen. Deshalb hatte ich mich ja auch so an Berlin geklammert. Als sie mich dann zurückholten, wußte ich, dass ich auf Eis gelegt werden sollte. Aber, Himmel noch mal …«
»Was haben Sie dort gemacht?«
Leamas zuckte die Achseln.
»Ich habe in demselben Raum mit zwei Frauen gesessen, sie hießen Thursby und Larrett. Ich nannte sie ›Thursday and Friday‹.« Er grinste ziemlich blöde. Peters sah verständnislos drein.
»Wir taten nichts anderes, als Formulare weiterzuschicken. Wir bekamen beispielsweise einen Brief von der Finanzabteilung: ›Die Zahlung von siebenhundert Dollar an Soundso ist mit Wirkung vom Soundsovielten genehmigt, bitte veranlassen Sie das Nötige.‹ - Das war in der Hauptsache alles. Thursday und Friday schoben den Zettel dann ein bißchen herum, hefteten ihn ein, machten Stempel drauf, und ich unterschrieb einen Scheck oder einen Auftrag an die Bank, das Geld zu überweisen.«
»Welche Bank?«
»Blatt and Rodney, eine drollige kleine Bank in der City. Nach einer im Rondell kursierenden Theorie sind nämlich ehemalige Etonschüler verschwiegen.«
»Praktisch kannten Sie dann also Namen von Agenten in der ganzen Welt?«
»Nicht notwendigerweise. Das war das Raffinierte daran. Ich habe zwar die Schecks unterschrieben oder die Bankaufträge, aber der Name des Empfängers wurde erst später auf dem von uns freigelassenen Platz eingetragen. Der Begleitbrief - oder was es nun war - wurde von uns unterschrieben, und dann ging der Akt zurück zur Abteilung für Spezialabfertigung.«
»Wer ist das?«
»Das sind die Führer der Agentenhauptliste. Sie setzen die Namen ein und verschicken die Anweisungen. Sehr schlau, muß ich sagen.«
Peters sah enttäuscht aus.
»Wollen Sie damit sagen, dass Sie keine Möglichkeit hatten, die Namen der Empfänger zu kennen?«
»Im allgemeinen nicht, nein.«
»Aber gelegentlich?«
»Dann und wann durchschauten wir die Sache natürlich. Dieses ganze Hin und Her zwischen Bank-, Finanz- und Abfertigungsabteilung führte manchmal zwangsläufig zu bestimmten Schlüssen. Ein System kann auch allzu clever werden. Dann stießen wir auf Spezialmaterial, das uns das Leben etwas aufhellte.«
Leamas stand auf. »Ich habe eine Liste aller Zahlungen angelegt, an die ich mich erinnern kann. Sie ist in meinem Zimmer. Ich hole sie.«
Er verließ den Raum mit dem etwas schleppenden Gang, den er seit der Ankunft in Holland angenommen hatte. Er kam mit ein paar Blättern aus einem Notizbuch zurück.
»Ich habe das hier in der letzten Nacht aufgeschrieben«, sagte er. »Ich dachte, es würde Zeit sparen.«
Peters nahm die Blätter und sah sie langsam und sorgfältig durch. Er schien beeindruckt zu sein.
»Gut«, sagte er. »Sehr gut.«
»Am besten kann ich mich an eine Sache erinnern, die sich ›Rollstein‹ nannte. Ich habe im Zusammenhang mit ihr ein paar Reisen gemacht. Eine nach Kopenhagen und eine nach Helsinki. Hatte nichts anderes zu tun, als bei Banken Geld einzuzahlen.«
»Wieviel?«
»Zehntausend Dollar in Kopenhagen, vierzigtausend Deutsche Mark in Helsinki.«
Peters legte seinen Bleistift nieder.
»Für wen?« fragte er.
»Weiß der Himmel. Wir arbeiteten im Fall ›Rollstein‹ nach dem Depotsystem. Der Geheimdienst gab mir einen falschen britischen Paß. Damit ging ich zur Königlich-Skandinavischen Bank in Kopenhagen und der Nationalbank von Finnland in Helsinki. Ich deponierte das Geld und ließ das Kontobuch auf ein Gemeinschaftskonto ausstellen, für das nicht nur ich - mit meinem Decknamen -, sondern auch jemand anderer zeichnungsberechtigt war. Dieser andere war nach meiner Schätzung der Agent, natürlich auch nur unter irgendeinem Decknamen. Die Unterschrift meines unbekannten Kompagnons,
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