Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Spion, der aus der Kälte kam

Titel: Der Spion, der aus der Kälte kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
Vom Netzwerk:
her. Leamas trug einen alten Regenmantel. Er hatte seine Hände in den Taschen, und es war zu spät, sie herauszunehmen. Ihm war klar, dass zwei der Männer den dritten in ihrer Mitte deckten und dass sie möglicherweise schießen würden, wenn er seine Hände aus den Taschen nahm, denn sie könnten der Meinung sein, dass er einen Revolver in der Tasche habe. Leamas blieb drei Meter vor dem Mann in der Mitte stehen.
    »Wünschen Sie etwas?« fragte Leamas.
    »Sind Sie Leamas?« Es war ein kleiner, dicker Mann, der sehr sicher auftrat. Er sprach englisch.
    »Ja.«
    »Welche Nummer hat Ihre britische Kennkarte?«
    »P R T/L 58 003/1.«
    »Wo verbrachten Sie die auf den Tag von Japans Kapitulation folgende Nacht?«
    »In Leyden, Holland, in der Werkstatt meines Vaters, mit einigen holländischen Freunden.«
    »Wollen wir einen kleinen Spaziergang machen, Mr. Leamas? Sie werden Ihren Regenmantel nicht brauchen. Ziehen Sie ihn aus und lassen Sie ihn hier liegen. Meine Freunde werden darauf achten.«
    Leamas zögerte, zuckte mit den Achseln und zog seinen Mantel aus. Dann gingen sie miteinander dem Wald zu.
    »Sie wissen so gut wie ich, wer er war«, sagte Leamas müde: »dritter Mann im Innenministerium, Sekretär des SED-Präsidiums, Leiter des Koordinierungsausschusses für Staatssicherheit. Ich nehme an, dass er zu seinem Wissen über de Jong und mich auf diesem Posten gekommen war: er muß die Akten über uns bei der ›Abteilung‹ gesehen haben. Er hatte drei Eisen im Feuer: das Präsidium, die internen Berichte über innenpolitische und wirtschaftliche Vorgänge - das war die einfachste Art, sich zu informieren -, und schließlich hatte er Zugang zu den Akten des Sicherheitsdienstes.«
    »Aber nur einen begrenzten Zugang. Ein Außenstehender bekommt niemals alle Akten zu sehen.«
    Leamas zuckte mit den Schultern.
    »Ihn ließen sie aber«, sagte er.
    »Was machte er mit seinem Geld?«
    »Nach diesem Nachmittag gab ich ihm keines mehr. Das Rondell übernahm das sofort. Es wurde in eine westdeutsche Bank eingezahlt. Er gab mir sogar zurück, was ich ihm bereits gegeben hatte. Das Rondell zahlte es für ihn ein.«
    »Wieviel erzählten Sie London über die ganze Sache?«
    »Danach alles. Ich mußte. Das Rondell informierte sofort alle Abteilungen.« Leamas setzte giftig hinzu: »Jetzt war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sich alles um die Quelle drängte. Mit den drängenden Abteilungen im Genick, wurde London immer habgieriger. Sie wollten immer mehr und mehr, boten ihm mehr Geld. Schließlich mußten wir Karl vorschlagen, weitere Quellen anzubohren, die wir dann übernahmen, um ein Netz zu bilden. Das alles war maßlos dumm, denn es legte Karl Belastungen auf, gefährdete ihn, untergrub sein Vertrauen zu uns. Es war der Anfang vom Ende.«
    »Wieviel konnten Sie aus ihm herausholen?«
    Leamas zögerte. »Wieviel? Ich weiß es nicht. Es lief eine unnatürlich lange Zeit. Ich glaube, er flog auf, lange bevor er gefaßt war. Schon Monate vor dem Ende wurde sein Material immer schlechter. Ich glaube, man verdächtigte ihn damals schon und ließ ihn deshalb nicht mehr an das gute Material heran.«
    »Alles in allem: was gab er Ihnen?« beharrte Peters.
    Stück für Stück zählte Leamas die von Karl Riemeck geleistete Arbeit auf. Peters registrierte voll Anerkennung, dass Leamas' Gedächtnis für einen Mann, der soviel trank, erstaunlich genau funktionierte. Er konnte Daten und Namen angeben, er konnte sich der Reaktion Londons erinnern und auf welche Weise Riemecks Material bestätigt worden war - soweit dies überhaupt geschah. Er konnte sich an geforderte und gezahlte Geldsummen erinnern, und an die Termine, zu denen andere Agenten für das Netz angeworben wurden.
    »Es tut mir leid«, sagte Peters schließlich, »aber ich halte es einfach für ausgeschlossen, dass ein einzelner Mann, wenn auch noch so hochgestellt, noch so vorsichtig und noch so fleißig, über eine derartige Fülle detaillierten Wissens verfügt haben soll. Und selbst wenn Riemeck zu all diesen Dingen selbst Zugang gehabt hätte, so wäre er doch nie in der Lage gewesen, das alles zu fotografieren.«
    »Er war in der Lage«, beharrte Leamas. Er war plötzlich verärgert. »Riemeck hat es nur allzugut fertiggebracht. Mehr ist darüber nicht zu sagen.«
    »Und das Rondell hat Sie nie angewiesen, ihn einmal zu fragen, wie und wann er dies ganze Material eingesehen hat?«
    »Nein«, fuhr ihn Leamas an. »Riemeck war in dieser Hinsicht empfindlich,

Weitere Kostenlose Bücher