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Der Spion, der aus der Kälte kam

Titel: Der Spion, der aus der Kälte kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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und London war damit zufrieden, so wie es war.«
    »Nun gut«, murmelte Peters. Dann sagte er: »Übrigens, Sie haben wohl von dieser Frau gehört?«
    »Von welcher Frau?« fragte Leamas scharf.
    »Karl Riemecks Freundin, die in der Nacht, als Riemeck erschossen wurde, herüberkam.«
    »Und?«
    »Sie wurde vor einer Woche tot aufgefunden. Ermordet. Man hat sie aus einem Wagen heraus erschossen, als sie ihre Wohnung verließ.«
    »Einmal war es meine Wohnung«, sagte Leamas mechanisch.
    »Vielleicht wußte sie mehr über Riemecks Netz als Sie«, meinte Peters.
    »Was, zum Teufel, soll das heißen?« fragte Leamas.
    Peters zuckte mit den Schultern. »Es ist alles sehr merkwürdig«, bemerkte er. »Ich möchte wissen, wer sie umgebracht hat.«
    Nachdem sie den Fall Riemeck erschöpfend besprochen hatten, berichtete Leamas über andere, weniger wichtige Agenten, dann über die Arbeitsweise seines Berliner Büros, seine Verbindungen, sein Personal, seine geheimen Verästelungen - die Wohnungen, Transportmittel, sein Archiv und das Fotolabor. Sie arbeiteten bis tief in die Nacht hinein und den ganzen nächsten Tag, und als Leamas schließlich in der folgenden Nacht zu Bett ging, wußte er, dass er alles, was er von der alliierten Spionage in Berlin kannte, verraten und zwei Flaschen Whisky getrunken hatte.
    Etwas gab ihm zu denken: Peters' Bestehen darauf, dass Karl Riemeck Hilfe, dass er einen hochgestellten Mitarbeiter gehabt haben müsse. Der Chef hatte ihn das gleiche gefragt. Ja, jetzt erinnerte er sich plötzlich daran: der Chef hatte ihn nach Riemecks Informationsmöglichkeiten gefragt. Wie konnten beide so sicher sein, dass Karl nicht allein gearbeitet hatte? Gewiß, er hatte Helfer gehabt, zum Beispiel die beiden Leibwächter, als er sich beim Kanal mit Leamas traf. Aber das waren kleine Fische, von denen Karl ihm später erzählt hatte. Peters weigerte sich nun also, zu glauben, dass Karl allein gearbeitet hatte - und Peters mußte schließlich genau beurteilen können, welche Art Informationen Karl in die Hände bekommen konnte und welche nicht. In diesem Punkt waren sich Peters und der Chef völlig einig.
    Vielleicht war es wahr. Vielleicht war da noch jemand. Vielleicht war dies die besondere Quelle, die der Chef so ängstlich gegen Mundt zu schützen versuchte. Das würde heißen, dass Karl Riemeck mit dieser Quelle zusammengearbeitet hatte, und dass seine Lieferungen auch Material enthielten, das der andere beschafft hatte. Vielleicht war dies der Grund, weshalb der Chef an jenem Abend in Leamas' Berliner Wohnung allein mit Karl zu sprechen wünschte. Wie dem auch sei, der morgige Tag würde ihn klüger machen. Morgen wollte er seine Karten ausspielen.
    Er fragte sich, wer wohl Elvira umgebracht hatte, vor allem aber: aus welchem Grund war sie getötet worden?
    Allerdings gab es dafür eine mögliche Erklärung: gesetzt den Fall, Elvira habe etwas über Riemecks heimlichen Mitarbeiter gewußt, vielleicht sogar seinen Namen, dann war es denkbar, dass sie von diesem Mitarbeiter ermordet worden war. Nein, das war eine zu gewagte Spekulation. Sie übersah die Schwierigkeiten, die das Überwechseln von Ost nach West bereitete - und Elvira war ja in Westberlin ermordet worden.
    Leamas fragte sich, warum ihm der Chef nichts von Elviras Tod gesagt hatte. Er hätte seine Reaktion auf diese Mitteilung aus dem Mund von Peters besser vorbereiten können. Aber das waren nutzlose Erwägungen. Der Chef hatte seine Gründe, und die waren im allgemeinen so elend verzwickt, dass es einer Woche angestrengten Grübeins bedurfte, sie herauszufinden.
    Als Leamas einschlief, murmelte er: »Karl war ein großer Idiot. Dieses Weib hat ihn hereingelegt. Da bin ich ganz sicher.«
    Elvira war tot, und das geschah ihr recht. Er dachte an Liz.

9DER ZWEITE TAG
    Am nächsten Morgen erschien Peters bereits um acht Uhr im Bungalow, und sie setzten sich sofort, ohne weitere Umstände zu machen, an den Tisch und fingen an.
    »Dann kamen Sie also nach London zurück. Was taten Sie dort?«
    »Man legte mich auf Eis. dass ich erledigt war, wußte ich schon, als mich dieser Esel von der Personalabteilung vom Flughafen abholte. Ich mußte direkt zum Chef, um über Karl zu berichten. Der war tot - was war darüber noch zu sagen?«
    »Was machte man mit Ihnen?«
    »Zuerst sagte man, ich könnte meine Zeit in London so lange absitzen, bis ich die Berechtigung zu einer vollen Pension erreicht hätte. Man war so verdammt gütig, dass ich wütend wurde.

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