Der Spion, der aus der Kälte kam
der Tür stehen sah. In der einen Hand hielt er eine Flasche Whisky, in der anderen Gläser und eine Flasche Mineralwasser. Er konnte nicht größer als ein Meter siebzig sein. Er trug einen dunkelblauen Einreiher; die Jacke war zu lang geschnitten. Seine Bewegungen waren geschmeidig wie die eines Raubtieres, er hatte leuchtende braune Augen. Er schaute nicht sie an, sondern den Wachtposten neben der Tür.
»Gehen Sie«, sagte er. Er hatte einen leicht sächsischen Tonfall. »Gehen Sie und sagen Sie dem anderen, er soll uns etwas zu essen bringen.«
»Ich habe es ihm schon gesagt«, rief Peters. »Sie wissen es bereits. Aber sie haben nichts gebracht.«
»Sie sind große Snobs«, bemerkte Fiedler trocken auf englisch, »sie meinen, wir sollten uns das Essen von Dienern servieren lassen.«
Fiedler hatte den Krieg in Kanada verlebt. Leamas erinnerte sich jetzt daran, als er den Akzent erkannte. Fiedlers Eltern waren als deutschjüdische Marxisten geflohen und 1946 zurückgekommen, da sie es kaum erwarten konnten, ohne Rücksicht auf persönliche Opfer am Aufbau des stalinistischen Deutschland mitzuarbeiten.
»Hallo«, setzte er, zu Leamas gewandt, fast beiläufig hinzu, »erfreut, Sie zu sehen.«
»Hallo, Fiedler.«
»Sie haben das Ende des Weges erreicht.«
»Was, zum Teufel, meinen Sie?« fragte Leamas schnell.
»Ich meine, dass Sie im Gegensatz zu allen Versicherungen von Peters nicht weiter nach Osten fahren werden. Bedaure.« Es klang amüsiert.
Leamas wandte sich zu Peters. »Ist das wahr?« Seine Stimme zitterte vor Zorn. »Ist das wahr? Sprechen Sie!«
Peters nickte. »Ja. Ich bin nur der Mittelsmann. Wir mußten es so aufziehen. Es tut mir leid«, fügte er hinzu.
»Warum?«
»Force majeure«, warf Fiedler ein. »Ihr erstes Verhör fand im Westen statt, und dort konnte nur eine Botschaft jene Art von Verbindung herstellen, wie wir sie brauchten. Die Deutsche Demokratische Republik hat keine diplomatischen Vertretungen im Westen. Noch nicht. Unsere Verbindungsleute richteten es deshalb so ein, dass wir in den Genuß von Einrichtungen, Nachrichtenmitteln und diplomatischer Immunität kamen, die man uns gegenwärtig noch versagt.«
»Sie Saukerl«, zischte Leamas, »Sie lausiger Saukerl! Sie haben genau gewußt, dass ich mich Ihrem kläglichen Verein niemals anvertraut hätte. Das ist der wahre Grund, oder? Deshalb haben Sie einen Russen vorgeschickt.«
»Wir nahmen die Hilfe der Sowjetbotschaft in Den Haag in Anspruch. Was hätten wir sonst machen können? Bis dahin war es unsere Operation. Das war völlig richtig gehandelt. Weder wir noch irgend jemand sonst konnte voraussehen, dass Ihre Leute in England so schnell auf Ihre Spur kommen würden.«
»Nein? Auch dann nicht, als ihr selbst sie auf mich gehetzt habt? In Wirklichkeit ist doch genau das geschehen, Fiedler!« - »Vergessen Sie nie«, hatte der Chef gesagt, »ihnen Ihre Abneigung zu zeigen. Dann werden sie schätzen, was sie aus Ihnen herausbekommen.«
»Das ist Unfug«, erwiderte Fiedler kurz. Dann sagte er irgend etwas auf russisch zu Peters, der daraufhin nickte und aufstand.
»Auf Wiedersehen«, sagte er zu Leamas. »Viel Glück.«
Er lächelte müde, nickte Fiedler zu und ging zur Tür. Als er schon seine Hand auf der Türklinke hatte, drehte er sich noch einmal um und sagte zu Leamas: »Viel Glück.« Er schien auf irgendeine Antwort von Leamas zu warten, aber Leamas tat so, als habe er nichts gehört. Er war sehr blaß geworden und hielt seine Hände mit den Daumen nach oben locker über seinen Leib, als erwarte er jederzeit den Beginn einer Schlägerei. Peters blieb an der Tür stehen.
»Ich hätte es wissen müssen«, sagte Leamas, und seine Stimme verriet durch ihren Klang, wie empört er war. »Ich hätte erraten müssen, dass Sie nie den Mut dazu aufbringen würden, Ihre schmutzige Arbeit selbst zu tun, Fiedler. Es ist typisch für Ihre verkommene kleine Staatshälfte und Ihren armseligen Geheimdienst, dass der große Bruder für Sie die Kupplerdienste verrichten muß. Ihr seid hier ja gar kein Staat, das ist überhaupt keine echte Regierung: ihr habt eine fünftklassige Diktatur von politischen Irren.«
Er stieß den Finger in Fiedlers Richtung und brüllte: »Ich kenne Sie, Sie sadistischer Saukerl: all das ist typisch für Sie. Während des Krieges waren Sie ja auch in Kanada, nicht wahr? Es war damals ein sehr viel angenehmerer Platz als hier, was? Ich wette, dass Sie bei jedem Flugzeug Ihren dicken Kopf in Mammis
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