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Der Spion, der aus der Kälte kam

Titel: Der Spion, der aus der Kälte kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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brachte ihm Essen: ein Ei, etwas dünne Suppe und Obst. Er fühlte sich sterbenselend, aber er dachte sich, es sei gut, wenn er etwas esse. Fiedler schaute ihm zu.
    »Wie geht es Ihnen?« fragte er.
    »Verdammt schlecht«, antwortete Leamas.
    »Aber besser?«
    »Ich glaube, ja.« Er zögerte. »Diese Kerle haben mich fertiggemacht.«
    »Sie haben einen Posten getötet, wissen Sie das?«
    »Ich dachte es mir. Aber was erwartet man sich, wenn man eine Aktion derart blödsinnig aufzieht? Warum hat man uns nicht sofort verhaftet? Wozu drehen sie überall das Licht ab? Wenn irgend etwas überorganisiert war, dann war es das.«
    »Ich fürchte, dass wir als ganze Nation zum Überorganisieren neigen. Im Ausland heißt das dann Gründlichkeit.« Wieder gab es eine Pause.
    »Was war mit Ihnen?« fragte Leamas.
    »Ich wurde auch für's Verhör präpariert.«
    »Von Mundts Leuten?«
    »Von Mundts Leuten und Mundt. Es war ein sehr eigenartiges Gefühl.«
    »So kann man es auch ausdrücken.«
    »Nein, nein. Nicht physisch. Physisch war es ein Alptraum. Aber, sehen Sie, Mundt hatte ein bestimmtes Interesse, mich zusammenzuschlagen. Ganz unabhängig vom Geständnis.«
    »Weil Sie sich diese Geschichte ausgedacht haben, von ….«
    »Weil ich Jude bin.«
    »Großer Gott«, sagte Leamas weich.
    »Allein deshalb bekam ich die Sonderbehandlung. Er sprach während der ganzen Zeit leise zu mir. Es war sehr eigenartig.«
    »Was sagte er?«
    Fiedler gab keine Antwort. Schließlich murmelte er:
    »Das ist alles vorüber.«
    »Warum? Was ist geschehen?«
    »Am Tag unserer Verhaftung hatte ich beim Präsidium einen Haftbefehl gegen Mundt beantragt. Er sollte als Feind des Volkes verhaftet werden.«
    »Aber Sie sind verrückt - ich habe es Ihnen gesagt, Sie sind wahnsinnig, Fiedler! Er wird niemals -«
    »Es gab außer Ihrem Material andere Beweismittel gegen ihn. Material, das ich Stück für Stück während der letzten drei Jahre zusammengetragen habe. Ihre Aussage schloß die Beweiskette nur, das war alles. Sobald mir das klargeworden war, schrieb ich einen Bericht und schickte ihn außer an Mundt an jedes Mitglied des Präsidiums. Er ging beim Präsidium zusammen mit meinem Antrag auf den Haftbefehl ein.«
    »Das war an dem Tag, an dem wir festgenommen wurden.«
    »Ja. Ich wußte, dass Mundt kämpfen würde. Ich wußte, dass er im Präsidium Freunde hatte oder zumindest Jasager - Leute, die genügend eingeschüchtert waren, um mit meinem Bericht sofort zu ihm zu laufen. Und ich wußte, dass er am Ende verlieren würde. Das Präsidium hatte die Waffe zu seiner Vernichtung in Händen: es hatte den Bericht. Während der paar Tage, als Sie und ich verhört wurden, haben sie ihn wieder und wieder gelesen, bis sie überzeugt waren, dass alles der Wahrheit entsprach, und bis jeder wußte, dass es auch die anderen wußten. Schließlich handelten sie. Die gemeinsame Angst, ihre gemeinsame Schwäche und das gemeinsame Wissen hat sie zueinander getrieben, bis sie Front gegen ihn machten und ein Gerichtsverfahren befahlen.«
    »Ein Gerichtsverfahren?«
    »Geheim, natürlich. Das Gericht tritt morgen zusammen. Mundt steht unter Arrest.«
    »Woraus besteht Ihr anderes Beweismaterial? Die Beweise, die Sie gesammelt haben?«
    »Warten Sie ab«, entgegnete Fiedler mit einem Lächeln. »Das werden Sie morgen sehen.«
    Fiedler schwieg eine Weile, während er Leamas beim Essen zusah.
    »Wie wird diese Gerichtsverhandlung geführt?« fragte Leamas.
    »Das ist Sache des Vorsitzenden. Es ist kein Volksgericht, das muß man im Auge behalten. Es hat mehr den Charakter eines Untersuchungsgerichtes. Wie eine Untersuchung, die von einem Ausschuß geführt wird. Ja, das ist es. Der Ausschuß wird vom Präsidium zu dem Zweck ernannt, eine bestimmte Sache zu untersuchen und darüber zu berichten. Sein Bericht enthält dann eine Empfehlung. In diesem Fall ist eine Empfehlung soviel wie ein Urteil, sie bleibt aber als Teil der Präsidialakten geheim.«
    »Wie ist die Verfahrensweise? Gibt es Anwälte und Richter?«
    »Es gibt drei Richter«, sagte Fiedler, »und praktisch auch eine Art Verteidigung. Ich persönlich werde morgen die Anklage gegen Mundt vertreten. Karden wird ihn verteidigen.«
    »Wer ist Karden?«
    Fiedler zögerte. »Ein sehr hartnäckiger Mann«, sagte er. »Sieht aber aus wie ein Landarzt, klein und gutmütig. Er war in Buchenwald.«
    »Warum kann Mundt sich nicht selbst verteidigen?«
    »Er wollte es lieber so. Man sagt, dass Karden einen Zeugen

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