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Der Spion der Fugger Historischer Roman

Der Spion der Fugger Historischer Roman

Titel: Der Spion der Fugger Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Kessing
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vom vorderen Fockmast ins Meer stürzte. Für einen Moment sah Amman Sachs in einem aufflackernden Blitzschein die panisch zappelnde Gestalt vorbeifliegen. Dann verschluckte Dunkelheit die Gestalt des Mannes, und das Meer erstickte seine Schreie.
    Der Fugger-Agent wusste, dass es keine Chance gab, den Mann zu retten. Wahrscheinlich war er bereits tot. Und Amman Sachs wurde nun mit brutaler Klarheit bewusst, in welcher mörderischen Gefahr sie alle hier schwebten. Das Meer würde niemanden mehr preisgeben, wenn es ihn erst in seinen Fängen hatte. Einen Toten hatte es nun bereits gegeben, und das Grauen hatte gerade erst begonnen, zumal das unbekannte Schiff, das auf so beängstigende und unerklärliche Weise aus den Weiten des Meeres aufgetaucht war, ihnen immer näher kam.
    Nach wie vor machte die
Aviso
hohe Fahrt, auch wenn das starke Krängen bei der plötzlichen Wende das Schiff abgebremst hatte. Doch sofort trieb der Sturm den Segler wieder voran – mit einer Leichtigkeit, dass man kaum glauben konnte, dass es sich um ein immerhin sechzig Tonnen fassendes Großschiff handelte. Das ganze Schiff ächzte und stöhnte unter den gewaltigen Anstrengungen, die es auszuhalten hatte.
    Amman Sachs hielt den Atem an. Die Gefahr war noch nicht gebannt, dann das andere Schiff war irgendwo da draußen in der Finsternis, wahrscheinlich viel zu nah und viel zu schnell. Würde es noch zur Kollision kommen? Dann war alles aus. Rettung würde es hier draußen für niemanden geben.
    War dies vielleicht auch das Schicksal der
Flor de la Mar
gewesen? War sie irgendwo in den unbekannten Weiten des Meeres mit einem anderen Schiff kollidiert und ohne Aussicht auf Hilfe von den Fluten verschlungen worden?
    Das ungewisse Horchen in den Sturm hatte jetzt schon viel zu lange gedauert. Das Gefühl sagte Amman Sachs, dass es jeden Augenblick zum Zusammenstoß kommen musste. Oder hatten sie es dank des waghalsigen Manövers des Kapitäns tatsächlich geschafft, der Gefahr auszuweichen?
    Die
Aviso
fuhr jetzt vor dem Wind, also mit der Windrichtung gegen Norden. Das andere Schiff musste nun also backbord hinter ihnen sein. Sachs begriff, dass er in die falsche Richtung schaute und drehte sich um.
    Der Blitz jagte in einer breiten Bahn unter den schweren Wolken entlang und beleuchtete erneut deren brodelnde Struktur. Doch der gewaltige helle Impuls illuminierte für einen langen Augenblick auch die ungeheure Weite des kochenden Meeres. Erschreckend nah und wie ein wütendes Monster zeichnete sich das Schattenspiel des von hinten beleuchteten fremden Seglers keine halbe Schiffslänge hinter dem Depeschenboot ab. Und das kurze Leuchten des Blitzes reichte aus, um zu erkennen, dass der andere Segler schneller war als die
Aviso
und mit voller Fahrt auf sie zuhielt.
    Dann verlosch das Licht des Blitzes, und die Dunkelheit war wieder so undurchdringlich wie zuvor. Nur das Ankerlicht des Depeschenbootes leuchtete unbeirrt in die Nacht, reichte aber längst nicht so weit, dass man das andere Schiff auf seiner verhängnisvollen Drift durch die Finsternis hätte erkennen können. Doch Amman Sachs meinte jetzt fühlen zu können, wie das Unheil seinen Lauf nahm und der hoch getakelte fremde Segler die letzten noch trennenden Wellen durchschnitt, um gleich mit mörderischer Wucht die
Aviso
zu rammen. Instinktiv krampfte der Fugger-Agent die Hände um die Reling, in der sicheren Erwartung des Zusammenstoßes.
    Für einen Augenblick fragte sich Amman Sachs, warum der andere Segler nichts gegen das drohende Unglück unternahm. Auch wenn die Ankerlaterne kein helles Licht lieferte, hätte man sie auf dem anderen Schiff längst als ein Warnsignal erkennen müssen, dem es auszuweichen galt. Warum hielt es trotzdem weiter auf das Depeschenboot zu? Und warum hatte das fremde Schiff selbst kein Signallicht entzündet oder wenigstens die Nebelglocke geläutet? War die dämonische Dunkelheit, diese alles verhüllende Schwärze des Sturms so undurchdringlich, dass kein Licht von hier nach drüben zum anderen Schiff reichte – und zurück? Oder war das fremde dunkle Schiff vielleicht sogar die Ursache des Sturms selber?
    Dem Fugger-Agenten blieb keine Zeit, eine Antwort auf diese Fragen zu finden. Der Aufprall war gewaltig und ließ das Schiff erbeben. Sachs verlor den Halt und schlitterte übers Achterdeck, dessen Reling zum Glück geschlossen war, sodass er nicht über Bord rutschte. Im Straucheln konnte er spüren, wie das andere Schiff an der Backbordwand entlang

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