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Der Spion der Fugger Historischer Roman

Der Spion der Fugger Historischer Roman

Titel: Der Spion der Fugger Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Kessing
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dass die Kutsche des Kanzlers Vorfahrt vor allen anderen hatte. Als sie auf das große Plateau fuhren, das den Vorplatz des eigentlichen Klosters bildete, schlug die Glocke im Turm des kleinen Doms gerade zum Mittagsgebet.
    Sie hielten wieder vor der großen Freitreppe. Noch ehe der Wagen zum Stehen kam, wurde bereits von außen die Tür aufgerissen. Alfonso de Escobar und Amman Sachs stiegen aus. Der Fugger-Agent war vom Anblick der großen Klosteranlage wieder genauso beeindruckt wie bei seinem ersten Besuch.
    Doch viel Zeit, das grandiose Bild zu bestaunen, blieb ihm nicht. Der Kanzler mahnte zur Eile und stieg bereits die große Treppe hinauf, als Amman Sachs endlich folgte. Oben auf dem zweiten, kleineren Hof angekommen, führte Escobar seinen Gast diesmal nicht durch die Kreuzgänge zu einer der Klausen, sondern hielt gleich rechts auf die seltsam gedrungene, wuchtig wirkende Kirche zu. Und obwohl der Fugger-Agent das Bauwerk schon einmal im Vorbeigehen gesehen hatte, erschütterte der Anblick ihn jetzt bis ins Mark: Die ursprüngliche Kirche, die nur noch den Altarraum mit dem angesetzten Campanile, dem Glockenturm, zu bilden schien, war rund! Kreisrund wie die Templerkirche des Inner Temple von London.
    Zwei seltsame Kirchenbauten, beide nicht mehr in Besitz der eigentlichen Erbauer, beide nicht mehr von ihnen benutzt – und doch so bedeutend, dass sich hier die mächtigsten Männer ihrer jeweiligen Länder trafen und die Bauwerke zum Zentrum ihrer Wissenschaften machten. Amman Sachs fragte sich, was es zu bedeuten hatte, dass ausgerechnet er in kurzer Zeit diese beiden Orte nacheinander aufsuchen musste.
    Escobar und Sachs betraten durch ein reich geschmücktes Portal das eigentliche Kirchenschiff. Während der Cancellarius nach rechts weiter in Richtung des runden Altarraums ging, blieb der Fugger-Agent stehen, gefangen von dem ungewöhnlichen Anblick, der sich ihm bot, und schaute sich um. Linker Hand teilte sich der Raum in ungefähr Mannshöhe horizontal in zwei Hälften, einen oberen und einen unteren Chorraum. Während der obere Chorraum offen und nur durch eine Balustrade abgetrennt war – der Zugang musste außerhalb des Kirchenschiffs liegen –, führte in den unteren Chor nur eine schmale, höhlenartige Türöffnung. Dahinter sah Amman Sachs einen, wie es ihm auf den ersten Blick schien, niedrigen, gewölbeartigen Zeremonienraum.
    Der Durchgang zum Altarraum auf der anderen Seite aber verschlug ihm geradezu den Atem: Mit viel Gold und in leuchtenden Farben waren die Wände ausgemalt; die Bilder zeigten biblische und allegorische Motive. Im Zentrum des runden Altarraums, der die alte, eigentliche Kirche der Tempelritter bilden musste, die so genannte Charola, war das hier achteckige Allerheiligste in üppiger Pracht ausgestaltet.
    Amman Sachs trat ehrfurchtsvoll näher. Zwar war er aus seiner Zeit bei der Schweizergarde den Anblick von großartigem Kirchenschmuck gewohnt, aber dieses Bild übertraf fast alles, was er bisher gesehen hatte. Der Detailreichtum war verblüffend. Sachs erkannte, dass die Abbildungen auf dem durch Säulen begrenzten Allerheiligsten die großen Reliquien der Christenheit zeigten: Da trug ein himmlischer Engel die Dornenkrone in den Händen, die Christus vor der Kreuzigung aufs Haupt gedrückt worden war; ein anderer Engel zeigte das Leichentuch des Heilands vor, in dem sich dessen Antlitz abgebildet hatte. Wieder ein anderer Engel hielt die Leiter, auf der Joseph von Arimathäa das Kreuz emporstieg, um den Herrn abzunehmen. Und auch die Lanze war dargestellt, mit der ein römischer Soldat prüfte, ob Christus tot sei, indem er ihn in die Seite stach.
    Doch nicht nur diese kunstvollen Bildnisse erregten Amman Sachs’ Interesse. Direkt unterhalb der Engelsdarstellungen waren in Gold seltsame Ornamente ausgeführt, die auf den ersten Blick wie florale Zeichnungen aussahen. Doch Sachs kam die Gestalt dieses Schmucks seltsam vertraut vor. Die Kurven, Haken und Windungen mochten in ihrer Ausführung für Zeugnisse der schöpferischen Kraft der Künstler gehalten werden, doch Sachs erinnerten sie auf den ersten Blick an andere Engelsflügel, die er vor gar nicht langer Zeit auf einem ganz anderen, profanen Gegenstand gesehen hatte, der jedoch durch ein besonderes Band mit der Kreuzritterburg hier in Tomar verbunden war: Auf dem Astrolabium, das der Kapitän der
Aviso
ihm bei ihrer Ausfahrt aus Lissabon gezeigt hatte! Auf dem Astrolab dienten die Engelsflügel als

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