Der Spion der Fugger Historischer Roman
Spielleute zu holen.«
Der Kanzler hob die Schultern. »König Philipp wird seine Gäste sicher heute noch begrüßen wollen. Nicht, weil er so erpicht darauf ist, dieses Gesindel in Augenschein zu nehmen, sondern weil er weiter nach Wien reisen will, um die notwendigen Allianzen für die Auseinandersetzung mit Elisabeth von England zu schmieden. Für Seine Majestät liegt Hohensax ja gewissermaßen nur auf halber Strecke.« Escobar lachte leise.
Je schneller, je besser, dachte auch Amman Sachs. Dann würde er auch endlich selbst in die Prachtzimmer einziehen können, die einst sein Vater bewohnt hatte und die nun den König beherbergten. Und vielleicht würde dann eine Zeitlang so etwas wie Ruhe in sein Leben einkehren. Doch eigentlich glaubte der Fugger-Agent das selber nicht.
Die beiden Männer schauten in den großen Rittersaal, der fast ein ganzes Geschoss einnahm. Obwohl es Sommer war, brannten dicke Holzscheite in dem mannshohen Kamin und spendeten Licht und Wärme. Doch es war auch ein leichter Modergeruch wahrzunehmen, denn viel zu lange war die nun wieder schmucke Burg eine feuchte Ruine gewesen.
Die einzigen Möbel des großen Saals waren eine lange Tafel mit jeweils ein halbes Dutzend Stühlen auf jeder Längs- und je ein Stuhl an den Kopfseiten sowie schlichte Bänke, die an den Wänden standen. Es war bereits allerlei Zierrat auf dem Tisch aufgestellt wurden, und es würde ein rechtes Festessen geben für die auserlesene Gesellschaft. Amman Sachs bedauerte, dass er selbst nicht daran teilnehmen konnte.
Die Küche der Burg lag unterhalb des Rittersaals im Tiefgeschoss des Pallas. So heizte der große Herd das ganze Gebäude mit. Amman Sachs erinnerte sich wieder an seine Kindheit – der enorme Holzverbrauch, um das große Gebäude zu heizen, war stets eines der größten Probleme beim Betrieb der Burg gewesen. In manchen Jahren hatte seine Familie einen ganzen Wald in Kamin und Herd verbrannt. Und im schwierigen Gelände der Alpen war Feuerholz ein wertvolles Gut.
Zwei Köche, im Gefolge König Philipps aus Spanien mit angereist, leisteten offenbar Schwerstarbeit, um die vielen Speisen für den Abend vorzubereiten. Amman Sachs sah frische Brote, warm dampfendes Bier, alle erdenklichen Gemüse sowie verschiedene, gewürzte Braten. Sachs fragte die Köche, ob man ihm eine Schüssel mit einigen der Spezereien zurechtmachen würde. Und kurz darauf saß er in einer Ecke der Küche, schaute den Männern bei ihrer Tätigkeiten zu und aß von einem hölzernen Teller Dinge, die es in seiner Kindheit hier nie gegeben hatte.
Als er satt war, ging er die steinerne Stiege hinauf ins oberste Stockwerk, wo die eigentlichen Schlaf- und Wohnzimmer lagen. Noch einmal ging er die hergerichteten Gästezimmer ab; nur die Räume, die bereits von den Spaniern bewohnt wurden, ließ er aus. Dannhörte er endlich draußen das Rufen der ankommenden Wagenführer und beeilte sich, dass er hinunter in seine Kammer kam, wo er für die Zeit, die der hohe Besuch auf Hohensax weilen würde, Quartier genommen hatte.
Amman Sachs lauschte ins große Haus. Alfonso de Escobar machte offenbar den Hausherrn und empfing die Gäste aus Augsburg auf dem Burghof. Er führte die lärmende und von der Reise stöhnende Gesellschaft in den Rittersaal. Amman Sachs öffnete einen alten, wie vergessen dastehenden Schrank in seiner Kammer, der wurmstichig und an einigen Stellen morsch war, und stieg hinein. Hinter sich zog er die Schranktür leise zu, denn erst wenn die vordere Tür geschlossen war, konnte man die hölzerne Rückwand in die entgegengesetzte Richtung öffnen, um so in einen schmalen Geheimgang zu gelangen.
Der Gang war stockfinster, doch Amman Sachs kannte die Dimensionen des Flurs noch aus seiner Jugendzeit. Und es erstaunte ihn, wie sicher er nach all den Jahren den Weg zur kaum schulterbreiten Treppe fand. Ohne in der Dunkelheit irgendwo anzuschlagen, schlich er die Treppe hinauf, die ein Geschoss höher in der Wand neben dem Kamin endete. Ein eiserner Schieber bildete hier quasi die Tür, die ins Innere des Kamins führte – dem Anschein nach, um die Luftzufuhr für die Feuerstelle zu regulieren. Tatsächlich aber war es ein Fluchtweg, falls überlegene Angreifer sich von der Haupttreppe her dem Rittersaal näherten.
Amman Sachs öffnete die Luftklappe einen Spalt. Warme Luft schlug ihm von den brennenden Holzscheiten entgegen, aber sie waren weit genug weg – ungefähr vier Ellen –, um ihn nicht ernstlich zu gefährden.
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