Der Spion der Fugger Historischer Roman
erzählt hatte. Auch im Hinblick auf sein eigenes Schicksal bereitete
ihm
das plötzliche Interesse des Königs an möglichen Mitwissern der Koordinaten der Unglücksstelle einiges Unbehagen. Da hatte er allerdings schon die ersten Worte eines verräterischen Satzes ausgesprochen: »Nur einer Person habe ich davon berichtet . . .«, hatte er wahrheitsgemäß begonnen, ehe seine Sorge ihn stocken ließ. Was, wenn der König sämtliche Mitwisser töten ließ, um das unbekannte, aber offensichtlich schreckliche Geheimnis zu beseitigen, das das Wrack der
Flor
barg? Daher vollendete Sachs das Geständnis anders als ursprünglich geplant, sah er doch die Gelegenheit, sich bei Hernando Hörl für das Erlebnis zu revanchieren, auf hoher See von einem fahrenden Schiff geworfen worden zu sein: »Der Mann, dem ich davon erzählt habe, war Hörl, der Fuggerfaktor, der im Auftrag Augsburgs daserste Lösegeld für mich an Drake zahlte.« Allein Sachs’ Mitteilung, dass Hernando Hörl ein Fuggerfaktor war, hatte eine erstaunliche Wirkung auf seine Zuhörer. Erst recht, als er fortfuhr: »Hörl schien mir auch sehr gut orientiert zu sein, was es mit diesem Bündel auf sich hatte. Er berichtete mir, dass er durch seine Tätigkeit in den Vizekönigreichen davon gehört habe
. Was
er gehört hatte, sagte er mir leider nicht.«
Die seltsame Audienz war beendet. Alfonso de Escobar führte Amman Sachs in den großen Speisesaal des Klosters, wobei der Schweizer im Labyrinth der vielen Gänge und gewundenen Treppen sofort wieder die Orientierung verlor. Die beiden Männer setzten sich an eine der Holztafeln. Ein Novize kam und brachte duftendes Brot, eine Schüssel mit gekochten Gemüse und Fleisch sowie zwei Krüge mit frischem Wein.
Schweigend nahmen die Männer ihre Messer und begannen zu essen. Nach einer Weile, als sie in dem großen Saal ganz allein waren, sagte der Cancellarius mit gedämpfter Stimme: »Was Ihr in der Charola gesehen habt – ich habe Euren Blick bemerkt, Meister Hohensax –, verliert nie im Leben ein Wort darüber. Ich will gar nicht wissen, ob Ihr die Bedeutung dessen, was dort aufgemalt ist, tatsächlich erkennt. Aber wenn Ihr es könnt, solltet Ihr es um Gottes willen für Euch behalten.«
Amman Sachs sah von seinem Essen auf. Die Blicke der beiden Männer trafen sich, und der Schweizer sah die tödliche Drohung in den Augen des Kanzlers.
»Gibt es einen Grund, dass Ihr mich verschont?«, fragte Sachs. »Was macht Euch sicher, dass ich mein Wissen für mich behalte, nur weil Ihr oder der König es wünscht?« Amman Sachs fühlte, dass seine Neugier noch gefährlicher war als sein Wissen.
Escobar wischte sein Messer an der Tischkante ab. »Ihr habt ein verworrenes Rätsel lösen können. Nicht mit irgendwelchem Hokuspokus, wie viele andere Berater es versuchen, sondern indem Ihr ausgezogen seid, die richtigen Dinge von den Leuten zu erfahren, die die Wahrheit wissen mussten. Und Ihr habt dieses Abenteuer überlebt. Stellt Euch vor, der König hätte einen seiner üblichen Berater oder Getreuen auf diese Mission geschickt – er wäre schon an den Stadttoren von Augsburg gescheitert.
Ihr aber seid bis zum Regierer, dem Hauptfaktor und sogar bis zum Inner Temple in London und dem gefährlichen Drachen Francis Drake vorgedrungen, und habt überlebt. So jemanden tötet ein weiser Herrscher nicht; er versucht ihn zu seinem Verbündeten zu machen. Und Ihr, Amman Sachs, seid an König Philipp gebunden – weil er Euch die Ehre wiedergeben kann. Ihr habt Euren Teil der Abmachung erfüllt. Nun wird auch die Krone Kastiliens ihren Teil leisten.«
Der Fugger-Agent schaute den Kanzler an, um zu erkennen, ob dieser die Wahrheit sagte oder ob es nur eine listige Lüge war. Doch das Gesicht Kanzlers war völlig ruhig.
»Und wie soll das geschehen?«, fragte Sachs. »Das Haus meiner Väter liegt in Trümmern. Ich lebe in einer Wohnung in einer Armensiedlung. Und mein Handelsherr hat meinen Ehrgeiz, mich zu beweisen, gegen mich selber gewendet. Für die Menschen, die mich kennen und die meine Ehre machen, bin ich dem Verderben geweiht.«
Escobar trank von dem Wein. »Das Haus Eurer Väter liegt in Trümmern, sagt Ihr. Ihr meint die Burg Hohensax im Sankt Gallener Land, nicht wahr? Im Westen des Alpenrheins. Nun, da fällt mir etwas ein. König Philipp hat noch eine große Verhandlung mit dem Haus der Fugger. Die Korrespondenz hat bisher zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt. Die Vorstellungen liegen noch weit
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