Der Spion der Fugger Historischer Roman
aber die guten Sitten verrohen ein wenig in wilden Ländern wie diesem.«
Hinter dem vermeintlichen Feingeist steckte offenbar ein hellwacher Verstand. Amman Sachs ermahnte sich, von nun an noch wachsamer zu sein. Deshalb beließ er es bei einem Lächeln als Antwort auf die Fragen seines Gegenübers.
»Ihr schweigt, Sachs? Nun, das ist sicher die beste Entscheidung, wo ich doch gemäß dieser Urkunden hier kein Recht habe, Euch so zu befragen. Aber der Escorial, von dem aus Philipp regiert, ist weit – und das hier ist nur ein Stück Pergament mit einem wächsernen Siegel, das schon der Flamme der Kerze auf meinem Schreibpult nicht widerstehen könnte. Und würde dieses Dokument nicht mehr existieren, wärt Ihr nur ein Fremder unter Fremden. Und in diesem Seuchenloch stirbt es sich leicht und leise. Was sagt Ihr dazu?«
Amman Sachs war erschrocken. Mit solch offenen Drohungen hatte er nicht gerechnet. Mit einem heimlichen Dolchstich durchaus, weshalb er unter seinem Wams die zusätzliche Last eines fein gearbeiteten Kettenhemds trug, das seine körperliche Not noch schlimmer machte. Doch ein solcher Schutz war unverzichtbar, wollte Amman Sachs jemals ins Land seiner Väter zurückkehren.
Jedenfalls hätte er niemals mit diesem frontalen Angriff des Gouverneurs gerechnet – was ihm offenbar anzusehen war, denn Fernández de Iturrizana lachte lauthals.
»Da habe ich den wackeren Reisenden wohl getroffen, dass ich die Regeln der Gastfreundschaft so grob und sträflich verletze«, sagte er. »Aber seid versichert, mein Freund, das geschieht nur zu Eurem Besten. Von dem Augenblick an, da Ihr den Boden Amerikas betreten habt, habe ich die Verantwortung für Euer Leib und Leben übernommen. Und da auch ich darauf hoffe, einst als reicher Mann in meine spanische Heimat zurückzukehren, würde es sich nicht gut machen, wenn ich dann Euren Tod zu verantworten hätte.
Also weiht mich in Eure Geheimnisse ein, damit ich Euch auch wirklich schützen kann. Es ist ein sehr gefährliches Land, in das Ihr aufgebrochen seid. Und es nützt uns beiden nichts, wenn ich nicht weiß, was Ihr hier bei uns vorhabt und vor welchen Gefahren ich Euch bewahren soll.«
Es klang vernünftig, was der Gouverneur da gesagt hatte. Und doch war Amman Sachs klar, dass die Wahrheit ihn in noch viel größere Gefahr gebracht hätte. Deshalb war er froh, mit einer passenden Schwindelgeschichte auf diese Situation vorbereitet worden zu sein.
»Ihr habt sicher recht, Meister Iturrizana. Und ich überschreite gewiss nicht meine Befugnisse, wenn ich Euch mitteile, dass ich Angehöriger der Schweizergarde seiner Heiligkeit Papst Gregors bin.« Sachs horchte in sich hinein, ob er diese wohl überlegte Lüge überzeugend vorgebracht hatte. Immerhin konnte er sich dabei auf sicherem Boden bewegen: Tatsächlich war Sachs einst Soldat der Schweizergarde gewesen, die seit einem dreiviertel Jahrhundert die Leibgarde des Papstes stellte. Aber das schien ihm eine Ewigkeit her zu sein.
»Ihr reist im Auftrag Roms
und
der spanischen Krone?«, fragte der sichtlich verwunderte Gouverneur.
»Der El Escorial, der Palast Philipps von Spanien, ist näher als Ihr glaubt, Gouverneur. Und es ist vor allem auch ein katholisches Kloster, in dem Euer König residiert. Ist es da so unglaublich, dass einer wie ich hier seiner Mission folgt?«
Der ungläubige Ausdruck auf dem Gesicht des Gouverneurs wich allmählich wieder der alten Verschlagenheit.
»Auf jeden Fall seid Ihr kein Vertreter der Geistlichkeit, Sachs. Ihr seid ein Söldner, so viel ist klar. Und die Söldner des Papstes haben viele Aufgaben zu erfüllen. Lasst mich raten: Ihr sollt schauen und berechnen, was der Kirchenzehnte aus den Kolonien eigentlich wert sein müsste.« Der Gouverneur lachte. »Oh ja, Ihr seid Eures Lebens nicht sicher, wie jeder Steuereintreiber! Da werde ich wohl wirklich gut auf Euch aufpassen müssen. Denn auch Rom ist sehr weit weg.«
Amman Sachs war erstaunt: Offensichtlich wusste der Gouverneur nicht, wer die Kosten für die Schweizergarde trug, das Söldnerheer des Papstes. Und falls er es doch wusste, zog er die falschen Schlüsse aus diesem Wissen. Sonst hätte der spanische Repräsentant in Nombre des Dios, der mehr für die Kaufleute von Sevilla sprach als für die spanische Krone, sich fragen müssen, was hier ein Mann wollte, der vorgab, auf der Lohnliste der Fugger zu stehen.
4.
Amman Sachs merkte rasch, wie der Schutz aussah, den Gouverneur de Iturrizana ihm gewährte
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