Der Spion der Fugger Historischer Roman
merkwürdigen Umstand geben, dass man ausgerechnet einen Fugger in die spanischen Kolonien schickte, als dass man die Vormacht der übermächtigen spanischen Kaufleute bei der Ausbeutung der Kolonien brechen wollte – genauer gesagt, dass der spanische König diese Vormacht brechen wollte, um selbst mehr von dieser Quelle unermesslicher Reichtümer zu profitieren.
Amman Sachs musste aufpassen, dass er nicht auf den glitschigen Treppen ausrutschte, die zum Portal des Gouverneurspalastes führten. Auf halber Höhe hielt er kurz inne, um die feuchte, modrige Luft einzuatmen und den Blick über das Chaos dieser Siedlung schweifen zu lassen. Durch die überraschende Ankunft der Handelsarmada hatte sich die Einwohnerschaft des kleinen Hafennests binnen kürzester Zeit mehr als verzwanzigfacht. In Zelten und provisorisch errichteten Hütten hatten die Händler aus dem gesamten Vizekönigreich Neu-Kastilien rund um den Ort ihr Quartier aufgeschlagen, weil die wenigen festen, aus Stein erbauten Gebäude bei weitem nicht ausreichten, all die Menschen zu fassen.
Sie alle waren gekommen, um ihren Teil von der wertvollen und so dringend benötigten Fracht der spanischen Flotte zu erhandeln. Im Gegenzug hatten sie die Schätze mitgebracht, auf die man in Spanien wiederum so dringend wartete. Doch bis alle großen und kleinen Transaktionen abgeschlossen waren – was nach Auskunft der Einheimischen einige Monate dauern konnte –, verseuchten die vielen Menschen hier die Luft und das Land und verbrauchten obendrein den letzten Tropfen sauberes Wasser. Amman Sachs hoffte, diesen grässlichen Ort so schnell wie möglich verlassen zu können.
Im Salon des Gouverneurs musste der Handelsagent eine ganze Weile auf einer aus ihm unbekanntem, dunkel schimmerndem Holz gezimmerten Bank sitzen, auf der kostbare Kissen aus Samt als Polster lagen. Amman schaute sich aufmerksam um und staunte vor allem über die kostbare Verglasung der Fenster: Kleine runde Scheiben waren in Blei gefasst worden und ergaben zusammen große rechteckige Gevierte, durch die ein diffuses, jedoch ausreichend helles Licht fiel. Es war überraschend kühl im Haus, und dank der Fenster und aufgestellter Schalen mit frischen Früchten waren auch die Gerüche hier sehr viel angenehmer als draußen in all dem Schmutz.
Die Wände waren weiß getüncht und schmucklos; wahrscheinlich würden Bilder und Leinwände bei der extremen Luftfeuchtigkeit bald zu schimmeln anfangen und keine dauerhafte Freude bringen. Die Zimmerdecke jedoch war mit einer sorgfältigen und kostbaren Arbeit verziert, die aus dem gleichen dunklen Holz gefertigt war wie die Bank, auf der Amman saß. Der Raum war insgesamt nach Art der Spanier sehr hoch, sodass die warme Luft stets nach oben entweichen konnte.
Das alles war gut durchdacht, lobte der Fugger-Agent im Stillen die Erbauer dieses Gebäudes. Ein Lichtblick in dem Dreck und Schmutz dieser Siedlung. Trotzdem wunderte er sich, als er schließlich ins Empfangszimmer des Gouverneurs geführt wurde und dieser die gleiche unpassende Kleidung aus Wolle trug wie Amman selbst.
»Pedro Antonio Fernández de Iturrizana, Gouverneur von Nombre de Dios. Zu Euren Diensten, Meister Sachs.« Der Gouverneur war ein Schöngeist, kein Raubein; das sah der Fugger Agent auf den ersten Blick. Zartes Gesicht, perfekt geschnittener Spitzbart und kleine weiche Hände, die niemals schwere Arbeit verrichtet hatten. Keine Risse in den Fingernägeln, kein Schmutz darunter. Welch einen Kontrast dieser Mann zu all den anderen Eindrücken bot, den diese Siedlung am Ende der Welt sonst auf Amman Sachs gemacht hatte!
Da der Besucher wohl zu lange in seine Beobachtungen vertieft war und daher auch zu lange geschwiegen hatte, fuhr der Hausherr fort: »Ich habe die Papiere geprüft, die Ihr mit Euch führt. Es ist überaus ungewöhnlich, dass der König selbst solche Dokumente ausstellt. Es muss eine besonders wichtige Aufgabe sein, die Euch hierher führt. Ihr seid Schweizer?«
»Auch wenn diese Bezeichnung mehr und mehr in Mode kommt, mag ich doch eher von Eidgenossen oder Helvetier sprechen. Meine Familie stammt aus dem oberen Rheintal – die Freiherren von Hohensax.«
Der Gouverneur legte die Stirn in Falten. »Damit wird immer interessanter, was alles
nicht
in Euren Papieren stehen mag. Freiherr von Hohensax? Aber Ihr nennt Euch nur Amman Sachs, wie ein Bürgerlicher. Habt Ihr Eure alten Rechte eingebüßt? Oder seid ein Bastard Eures Vaters? Verzeiht meine Direktheit,
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