Der Spion der Fugger Historischer Roman
die Abwicklung des Handels und die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen zuständig war, sondern auch für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, die Förderung des Handels und den Bau von Ortschaften, Straßen und Brücken.
Amman Sachs sah sich auf der völlig verschlammten Hauptstraße von Nombre de Dios um, die kaum mehr war als ein matschiger Fahrweg. Mit Schotter aus den nahen Bergen oder Sand von der Küste hätten sich die schlimmsten Missstände beseitigen lassen; aber das würde Arbeitskraft und damit Geld kosten. Und wenn der Handelsagent des Kaufmannshauses der Fugger eines ganz genau wusste: Geld gab ein Kaufmann niemals gerne aus. Vielleicht hatten sie Nombre de Dios ja deshalb »Name Gottes« genannt, weil man hier ständig über den Zustand des Ortes und die Lebensumstände fluchen musste und weil man nur unter ständiger Anrufung des Herrn dieses Seuchennest überleben konnte.
Mit unsicheren Schritten auf dem glitschigen Grund setzte Amman Sachs seinen Weg zum Haus des Gouverneurs von Nombre de Dios fort. Der zweigeschossige Bau war der größte der Stadt, sogar größer noch als die örtliche Kirche, die ebenfalls einen so jämmerlichen Anblick lieferte wie der Rest der Siedlung. Kein Wunder, dass der Gouverneurspalast größer war als das Haus Gottes, lagerten dort doch all die Schätze, die von der Flotte am Ende des Sommers nach Europa transportieren werden sollten.
Amman Sachs hatte noch keine Ahnung, wie große diese Schätze waren. Er konnte nur Vermutungen anstellen und Schätzungen machen auf der Grundlage des außerordentlichen Aufwands, den die Spanier für ihre Handelsfahrten nach Amerika betrieben. Und es mussten gewaltige Schätze sein, denn in diesem Jahr waren nicht weniger als neunzig Schiffe von Sevilla aus in die Neue Welt aufgebrochen, darunter einige der größten Galeonen, die der Fugger-Agent in seinem bisherigen Leben gesehen hatte. Sie alle brachten Waren aus Spanien, die aufgrund eines königlichen Edikts nicht in Amerika hergestellt werden durften; also fast alles, was die Siedler in den Kolonien zum täglichen Leben brauchten. Und all diese Schiffe würden auf der Rückreise bis unter die Mastspitzen mit Waren beladen sein – mit Schätzen, genauer gesagt. Außer dem Gold und Silber, das die Spanier aus den Kolonien nach Europa schafften, waren dies vor allem Koschenille, der scharlachrote Farbstoff, der aus der Schildlaus gewonnen wurde und die Roben der Macht färben sollte, sowie Indigo, Häute, Leder, Zucker, Heilpflanzen, Perlen und Edelhölzer.
Der Fugger-Agent hatte auf dem großen Markt mit eigenen Augen gesehen, zu welchen Preisen die Kaufleute aus Sevilla diese Schätze einhandelten; es waren Bruchteile dessen, was in den Städten der Alten Welt damit würde erzielt werden können. So konnte Amman Sachs sich sehr gut ausmalen, wie gewaltig die Profite der Spanier wirklich sein mussten. Und er konnte noch weniger verstehen, warum ausgerechnet der König der Spanier, Philipp der Zweite, ständig so in Geldnot war, wo doch eigentlich er der Gebieter über all diese Reichtümer hätte sein müssen. Bei Amman Sachs’ Herren, den Fuggern, galt der Habsburger als der Mann mit den größten Geldsorgen aller Zeiten. Aber das sollte sich ja nun auf absehbare Zeit ändern.
Amman war sich seiner Bedeutung bewusst. Er war hier in den Kolonien, um wahrscheinlich genau diesen Missstand für die spanische Krone zu beheben. Die Gewinne aus den amerikanischen Kolonien machten fast ausschließlich die Kaufleute von Sevilla. Und er, Amman Sachs, repräsentierte hier, in der Höhle des Löwen, das andere riesige Handelsimperium Europas, das mit den Habsburgern auf dem spanischen Thron Geschäfte machte. Amman wusste, dass er hier war, um die Vorherrschaft der Kaufleute von Sevilla bei der Ausbeutung der Neuen Welt zu beenden. Aber das würde sicher keine leichte Aufgabe werden.
Niemand hatte es so ausdrücklich gesagt, als man dem unerfahrenen Eidgenossen seine seltsame, geheimnisvolle Mission antrug. Ein spezielles Schiff sollte auf besonderem Weg und mit besonderer Fracht sicher über den Atlantik gebracht werden. Man konnte keinem trauen; niemand durfte zu viel wissen, niemand durfte je erfahren, was die Fracht dieser besonderen Galeone sein würde. Insbesondere durfte kein Spanier außerhalb der Mannschaft der Galeone in diese Mission eingeweiht werden, war Amman eingeschärft worden.
Aber es konnte keinen besseren Grund für diese Geheimniskrämerei und den
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