Der Spion der Fugger Historischer Roman
– nach der Unterredung mit dem Befehlshaber von Nombre de Dios schien es in der Stadt keinen Spanier mehr zu geben, der nicht ein wachsames Auge auf dem Fremdling hatte. Bei jedem seiner Schritte war der Fugger-Agent sich der nahezu lückenlosen Überwachung durch die Konquistadoren bewusst. Und das war ein sehr großes Problem. Aber in weiser Voraussicht hatte Sachs vorgesorgt.
Auf einer der größeren Karavellen der im natürlichen Hafen vor Nombre de Dios ankernden Flotte war eine liebreizende junge Frau als Passagierin mitgereist. Dieser jungen Dame machte Amman schon am folgenden Tag von seiner Galeone aus seine Aufwartung. Da Nombre de Dios mit Händlern und Kaufleuten dermaßen überbelegt war, gab es keine andere Möglichkeit, als weiterhin an Bord der im weiten Rund der natürlichen Hafenbucht vor der Stadt ankernden Schiffe Quartier zu behalten, um überhaupt halbwegs anständig untergebracht zu sein.
So wunderte sich niemand, dass Amman Sachs aufbrach, um sich mit einem kleinen Boot zur Karavelle hinüberrudern zu lassen. Diese Besuche zwischen den Passagieren der verschiedenen Schiffe konnten häufig beobachtet werden; meist waren sie Teil der Gespräche zwischen den Kaufleuten, die seit der Ankunft der Handelsflotte häufig stattfanden.
Der Umstand, dass Amman Sachs dabei tatsächlich die Kajüte einer jungen Frau besuchte, blieb allerdings selbst aufmerksamen Beobachtern verborgen. Und diejenigen, die es doch bemerkten, dachten sich grinsend ihren Teil und wandten sich wieder ihren Aufgaben zu. So entging es der allgemeinen Aufmerksamkeit, dass bald nach Amman Sachs’ Eintreffen auf der Karavelle ein offensichtlich spanischer Herr an Deck des Schiffes trat und von einem der Matrosen an Land gebracht zu werden verlangte.
Der Fugger-Agent hatte eine schwarze Perücke unter seinem breitkrempigen Hut aufgesetzt, sich mit Hilfe von verflüssigtem Baumharz einen künstlichen Spitzbart angeklebt und seine Schweizer Handelstracht, die er gewöhnlich trug, mit dem strengen schwarzen Aufzug der Spanier getauscht. Nun sah er aus wie die meisten spanischen Händler, die in Nombre de Dios ihr Glück machen wollten. Niemand fragte sich, wer der Mann sei und woher er auf einmal gekommen sein könnte.
An Land schlug Amman Sachs den Weg zu einem größeren Steinhaus am südlichen Rand der Siedlung ein. Wieder schien niemand Notiz zu nehmen von dem gemächlich einherschreitenden Edelmann, der sich durch Morast und Menschengewühl einen Weg bahnte. Sachs achtete allerdings peinlich genau darauf, unterwegs niemandem in die Augen zu schauen, um sich nicht doch noch unnötigerweise zu verraten.
Schließlich betrat er das Haus, ein schon älteres Gebäude, ohne an die Tür zu klopfen oder sich auf andere Art und Weise bemerkbar zu machen, und betrat ein Zimmer mit dunklen Aktenschränken und Regalen. Auch hier gab es die kostbaren, in Blei gefassten Fenster, die diesmal allerdings hinter dicken Fensterläden verborgen waren und den Raum in dunkles Zwielicht tauchten. Trotzdem sah der Ankömmling das erstaunte Gesicht des Spaniers, der an einem Stehpult gerade etwas in ein dickes Buch eintrug.
»Was . . .?«, setzte der Mann an.
Sachs ließ dem Spanier keine Zeit, unnötige Aufmerksamkeit zu erregen.
»Die Sonne wird niemals untergehen im Reiche Karls des Fünften«, sagt er. Trotz der kümmerlichen Beleuchtung konnte der Fugger-Agent sehen, wie sein Gegenüber blass wurde.
»Möge dieses Glück auch seinen Nachkommen stets beschieden sein . . .«, antwortete der Spanier auf die Parole. »Zu Euren Diensten, Herr.«
Amman Sachs nickte zufrieden. Es war ein gutes Gefühl, dass die Magie des Namens Fugger auch an diesem Ort noch immer seine ungeheure Macht entfaltete, wenn auch nur im Verborgenen. Wahrscheinlich hatten alle anderen Einwohner von Nombre de Dios – einschließlich des Gouverneurs – längst vergessen, dass vor mittlerweile mehr als vier Jahrzehnten dieses Gebäude am Rande ihrer Siedlung eine richtige Fuggerfaktorei gewesen war.
Unter dem großen Anton Fugger hatten die Geschäftsbeziehungen des Augsburger Handelshauses ihre größte Ausdehnung besessen; damals hatte auch das Vizekönigreich Neu-Kastilien vollständig zur Einflusssphäre der Fugger gezählt – zumindest theoretisch. Karl der Fünfte, der Vater Philipp des Zweiten auf dem deutschen und dem spanischen Thron, hatte dieses gewaltige Lehen an den großen Kaufmann verpfändet, als die Habsburger die damals größte Anleihe aller Zeiten
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