Der Spion der Fugger Historischer Roman
nachzusehen, was der Häuptling auf das Schiff gebracht haben könnte.
Dann waren die Männer mit einem Mal verschwunden. Und zu seinem größten Erstaunen sah Amman Sachs, wie sich die Fackeln und Laternen auf dem Schiff und an Land wie von Geisterhand selbst wieder entzündeten; auch die ursprünglichen Geräusche der Tiere, der Natur und auch der späten Zecher in der Hafenspelunke stellten sich wieder ein. Es schien, als wäre das heimlich beobachtete, rätselhafte Schauspiel nur Einbildung gewesen, eine Ausgeburt der Phantasie.
6.
Am Tejo-Ufer bei Lissabon
An der Kaianlage des Lissabonner Hafens hatte sich, wie stets, wenn die Ankunft neuer Segler angekündigt worden war, eine große Menschenmenge versammelt. Bestimmt hatte sich auch das Gerücht verbreitet, dass ein Schatzschiff der Spanier hätte eintreffen sollen, das jedoch vermisst wurde. Solche Sensationen ließen sich nie gänzlich verheimlichen, vor allem nicht in einer Stadt, in der jeder jeden kennt und die Leute ständig miteinander umgingen.
Mit unruhigen Blicken suchte Sachs in der mittlerweile gleißenden Sonne die Reihen der Schiffe in der Flussmitte ab. Er musste sich eingestehen, dass es das Ende sein könnte: Es war der kleine Konvoi, doch er lief ohne die Goldgaleone in den Hafen von Lissabon ein.
Trotz seiner düsteren Gedanken konnte Amman nicht umhin, die Schiffsführer zu bewundern, wie sie ihre von der langen Überfahrt unübersehbar müden Schiffe sicher und gekonnt an die Anlegeplätze steuerten. Für einen Moment herrschte atemlose Stille an Land und auf den Schiffen, die nun eines nach dem anderen festmachten und dabei nebeneinander zum Liegen kamen.
War es eine erfolgreiche Überfahrt gewesen? Brachten die Besatzungen gute Nachrichten mit? War eine Seuche an Bord eines der Schiffe ausgebrochen? Die Menschen lauschten, beobachteten und warteten gespannt, wie die Stimmung auf den Seglern war, doch die Seeleute hatten wegen der vielen notwendigen Manöver erst einmal alle Hände voll zu tun und waren vollauf damit beschäftigt, die Schiffe sicher an die Liegeplätze zu bringen. Erst als der Vor-, Hinter- und Nebenmann bestens vertäut und alle Segel geborgen waren, schweiften die Blicke der Männer auf den schnittigen Karavellen und den hochgewölbten Karacken hinüber zu der Menge an Land, und fröhliche, hin und her geworfene Begrüßungsrufe lösten rasch die bis eben noch greifbare nervöse Spannung.
Landungsbretter wurden von den Schiffen auf den Hafensteg geschoben. Die Kapitäne und Navigatoren waren die Ersten, die den festen Boden betreten durften. Wenn man genau hinsah, war zu erkennen, dass die ersten Schritte der Männer an Land noch unsicher und ihre Knie noch wacklig waren.
Sachs suchte den Blick des Kapitäns der den Konvoi anführenden Karavelle – ein kleiner, dicker, linkischer Mann von vielleicht fünfzig Jahren, der so gar nicht dem Bild eines stolzen Kommandeurs entsprach, sein schwieriges Handwerk jedoch umso besser verstand. Der Mann war glatt rasiert und in saubere Gewänder gehüllt, was nach einer mehrwöchigen Überfahrt über schwierige Gewässer einem Kunststück gleichkam. Die Nord-Passage über den Atlantik zurück nach Europa führte an den Bahamas und den Azoren vorbei – auch nach den wenigen Jahrzehnten, die die Segler diese Route nun benutzten, bereits eine berüchtigte Fahrt.
Der Kapitän hatte nun auch Sachs entdeckt und nickte ihm leicht zu. Die Augen zeigten keinerlei Heiterkeit. Der Blick des Seemannes war ernst, ließ sogar Betroffenheit erahnen – eine Betroffenheit, die im Gegensatz zu der sonstigen, sich jetzt beinahe stürmisch ausbreitenden Fröhlichkeit an Land und auf den Schiffen stand.
Sachs musste sich vom Blick des Kapitäns losreißen, um abermals die Schiffe des Konvois abzusuchen, bis er an der Reling des Leitschiffs entdeckte, wonach er Ausschau hielt. Diesmal nickte Sachs stumm einem Gegenüber zu, und wieder sah er in tief besorgte Augen. Amman merkte, wie ihm mit einem Mal übel wurde, als hätte jemand ihm in den Leib geschlagen. Tränen schossen ihm in die Augen, doch er kämpfte verbissen dagegen an.
Eine Hand legte sich ihm plötzlich in einer vertrauten Geste auf den Arm – es war die Prinzessin, deren Anwesenheit Sachs im Tumult der Schiffsankunft völlig vergessen hatte.
»Ist alles in Ordnung, Herr Sachs? Ihr seht mit einem Mal so blass aus.« Echtes Mitgefühl klang aus diesen Worten. In diesen Sekunden seelischer Not erhielt Sachs von der rätselhaften
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