Der Spion der Fugger Historischer Roman
Gesindel aus dem Weg zu gehen, und auch ein gutes Stück von der Poststation entfernt, die der Kontrolle eines der großen Handelshäuser unterstand. Dieses Gasthaus würde die bestmögliche Verschwiegenheit bieten.
Über dem Eingang des dreigeschossigen Hauses hing ein eisernes Schild mit dem Namen der Schänke: »Coroa«, das Kreuz. Rasch betrat Sachs den verdunkelten Gastraum.
Mit einem Blick erfasste er die Anwesenden, die auf grob gezimmerten Bänken ohne Lehnen an den zwei langen Tafeln saßen, vor sich hölzerne Teller und Schüsseln sowie irdene Trinkbecher. Nur vor einem des Gäste, der hinten in einer Ecke saß, stand noch kein Geschirr. Und anders als die übrigen Zecher hatte dieser Gast seinen großen Hut mit der breiten, nach oben gewölbten Krempe nicht abgesetzt, sondern ganz im Gegenteil tief ins Gesicht geschoben, sodass man, wie Sachs beim Näherkommen bemerkte, außer Nasenspitze und Kinn nichts vom Gesicht sah. Aber dieses Kinn verriet einen vermutlich noch jungen Mann, denn es zeigte keinerlei Bartwuchs.
Amman Sachs stieg über die Sitzbank und nahm gegenüber dem jungen Burschen Platz.
»Gaston?«, sagte Amman Sachs.
Der Angesprochene hob den Blick und schaute Sachs freundlich aus klaren blauen Augen an.
»Schön, dich wieder zu sehen, Amman. Auch wenn die Umstände wohl nicht so erfreulich sind. Wir können hier frei reden. Es sind alles Portugiesen hier, ich habe mich vergewissert. Sie verstehen uns nicht.«
Sachs ließ den Blick durch die Schänke schweifen. Da er einen Mann in der Kutte eines Ordensbruders erblickte, schied die Möglichkeit aus, Latein als geheime Sprache zu verwenden. Mit Deutsch jedoch waren sie hier wohl auf der sicheren Seite.
Sachs wandte sich wieder dem vermeintlichen jungen Mann zu. »Wie du meinst«, sagte er. »Dann kann ich dich wohl auch mit deinem richtigen Namen anreden, meine gute Gemma. Du ahnst nicht, wie glücklich ich bin, dass du nicht mit der
Flor de la Mar
gereist bist. Sie ist wohl tatsächlich verloren. Aber wie ist es dir ergangen? Ist deine Tarnung nicht aufgeflogen?«
»Du meinst, ob ein Mädchen in Männerkleidung unter einem Haufen von Raufbolden an Bord eines Schiffes tatsächlich unentdeckt bleiben kann? Ja, es hat geklappt, denke ich, zumal ich ja in geheimer Mission gereist bin und deshalb die Kapitänskajüte benutzen durfte, war ich wie eine Unberührbare in Indien. Wahrscheinlich hielten die Männer an Bord mich für die göttliche Inquisition. Alle gingen mir aus dem Weg, wenn ich das Oberdeck betrat. Ich glaube, nie ist ein Mädchen sicherer gereist als ich auf dieser Überfahrt.«
Amman überlegte, ob er seiner vertrauten Gehilfin verraten sollte, was er dem Kapitän vor Antritt der Fahrt über den »geheimnisvollen Passagier« gesagt hatte, entschied sich dann aber, zu schweigen.
»Besser so, als wenn dreißig Mann mitbekommen, dass ein hübsches und wehrloses Mädchen an Bord ist«, sagte er. »Wobei man natürlich nicht sagen kann, wer mehr gefährdet gewesen wäre – du oder die Männer.«
Die junge Frau, die in der Männerkleidung ziemlich verwegen aussah, musste bei diesen Worten ebenfalls lächeln. Dann wurde ihre Miene wieder ernst.
»Du hast den Kapitän gesprochen? Er hat dir von den Trümmern erzählt, die wir östlich der Azoren im Meer treiben sahen?«
Amman nickte. »Was der Mann gesehen haben will, deutet auf ein schlimmes Gefecht hin, ein mörderisches Gemetzel auf hoher See. Wäre irgendwo ein Schiff mit Überlebenden eingetroffen, hätte die Meldung uns erreichen müssen.«
Die junge Frau schien zu überlegen. »So viel Zeit ist noch nicht vergangen. Vielleicht ist die Nachricht noch auf dem Weg hierher nach Lissabon«, sagte sie schließlich.
Sachs schüttelte entschieden den Kopf.
»Wer Überlebende einer solch großen Galeone aufnimmt, muss den nächsten Hafen anlaufen, egal um was für ein Schiff es sich handelt. Weiter würden die Vorräte an Bord niemals reichen. Und ausgehend von dem Gebiet, in dem der Kapitän die Schiffstrümmer gesichtet hat, liegen die nächsten Häfen auf den Azoren oder eben hier an der portugiesischen Küste.«
Gemma kniff die Lippen zusammen. »Ob es die Engländer waren?«, fragte sie dann.
Der Fugger-Agent nickte.
»Da bin ich sicher. Die Franzosen haben nicht die Schiffe und auch nicht die Seeleute, um ein so großes Schiff wie die
Flor de la Mar
anzugreifen und zu besiegen. Die Holländer mögen ihre spanischen Herren zwar auch nicht besonders, haben aber andere
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