Der Spion der Fugger Historischer Roman
sich mit einer so schwer bewaffneten Galeone auf offener See anzulegen? Und wer könnte es schaffen, ein so großes Schiff zu besiegen, obendrein auf offener See?
»Vielleicht hat die
Flor de la Mar
einen Angreifer versenkt oder schwer beschädigt in die Flucht geschlagen«, meinte Sachs, »und sie musste wegen eigener Schäden nach Funchal, um sie dort beheben zu lassen. Der Kapitän der
Flor
ist ein sehr gewissenhafter Mann.«
»Ich weiß, ich habe mit ihm zusammen in Salamanca die Kunst des Navigierens erlernt. Wir wurden dort auch im Schiffsbau ausgebildet, weil es ja geschehen kann, dass man in der unbekannten und geheimnisvollen Neuen Welt sein Schiff verliert und aus dem, was man noch hat, sich selbst ein neues Schiff bauen muss.«
Sachs erkannte, dass der Seemann dieses Thema nicht ohne Grund ansprach. »Worauf wollt Ihr hinaus, Kapitän?«
»Wenn es nicht unsere Galeone war, deren Reste wir auf dem Meer treiben sahen, muss sie von einem spanischen Schiff angegriffen worden sein. Die Luken waren aus spanischem Kiefernholz gearbeitet, das erkennt man an seiner großen Maserung. Und die Fässer hatten spanische Brandzeichen.«
»Aber wer würde es wagen, solch ein großes und gut bewaffnetes Schiff wie die
Flor
anzugreifen? Meint Ihr nicht auch, dass es eher mit einem Meeresungeheuer zusammengestoßen ist?« Es war nicht mehr als eine fatale Hoffnung, die Sachs diese Vermutung aussprechen ließ.
»Ihr vergesst die Säbelkerben. Ich wünschte, ich könnte Euch etwas anderes berichten, Herr Sachs. Aber was ich gesehen habe, war eindeutig. Die
Flor de la Mar
ist gescheitert. Warum oder wodurch, ist nicht zu ermitteln. Ich würde mir aber gerne Scherereien und peinliche Befragungen ersparen, wenn ich behaupte, ich hätte unterwegs nichts Auffälliges bemerkt. Es nützt ja keinem, was ich gesehen habe. Oder irre ich mich?«
Der Fugger-Agent überlegte. Es war ein seltsamer Handel, der ihm da angeboten wurde. Wieso sollte der Kapitän nur ihm etwas erzählen wollen, das doch ganz sicher für die folgenden Ermittlungen und Untersuchungen eine weitreichende Bedeutung haben musste? Andererseits . . . der Kapitän war Spanier, und offensichtlich von eher phlegmatischer Natur. Würde ruchbar werden, was der Mann tatsächlich wusste, würde er die nächsten Monate sicher in irgendwelchen unsinnigen Befragungen festsitzen, anstatt zur See fahren zu können. Insofern war sein Wunsch, mit dieser Sache in Ruhe gelassen zu werden, nur zu verständlich.
»Ihr habt recht, Kapitän. Wenn die
Flor
verloren ist, ändern ein paar im Meer treibende Trümmer nichts daran. Soweit Ihr sie nicht habt bergen lassen . . .«
»Kein Gedanke! Außer mir hat niemand das Treibgut entdeckt, da bin ich sicher.« Der Kapitän lächelte. »Bis auf den geheimnisvollen Passagier, dem ich Eurem Wunsch gemäß meine Kabine überlassen habe. Aber ich denke, auch der wird nichts von seinen Beobachtungen erzählen. Was meint Ihr?«
»Sicher nicht«, erwiderte Sachs. »Ihr werdet nichts zu befürchten haben, Kapitän, ich gebe Euch mein Wort. Wenn das Schiff tatsächlich verloren ist, ist es eh einerlei, was Ihr gesehen habt. Es bringt uns die Galeone und ihre Ladung ja nicht zurück. Ich danke Euch für Euer Vertrauen. Aber bleibt bitte bei Eurer Geschichte. Wie ich sehe, kommt der Faktor zu uns, also wird gleich Eure zweite Befragung beginnen . . .«
Amman Sachs wandte sich ab. Er hatte nicht das Verlangen, den Fuggerfaktor von Lissabon, Batalha de Alcácer, im Augenblick dieser Niederlage abermals gegenüberzutreten. So beeilte er sich, im Gedränge auf dem Kai unterzutauchen und nach dem »geheimnisvollen Passagier« Ausschau zu halten, von dem der Kapitän eben gesprochen hatte.
In einer der Straßen, die vom Hafen hinauf zur Festung führten, sah er den unauffälligen Umhang, den er suchte, gerade um eine Ecke verschwinden. Sachs verfiel in Laufschritt, um zu seinem Kundschafter aufzuschließen, den er mit dem Konvoi zusammen hatte reisen lassen. Dabei schaute er einige Male besorgt über die Schulter, um sich davon zu überzeugen, dass niemand seine wahrscheinlich seltsam anmutende Hast beobachtete. Doch die Leute waren voll und ganz mit den Arbeiten am Hafen beschäftigt, sodass ein davoneilender Edelmann keine Aufmerksamkeit erregte.
Keine fünfzig Schritt vor sich sah Amman Sachs schließlich den Gesuchten in einem Gasthaus verschwinden. Eine gute Wahl, bemerkte der Agent sofort. Nicht zu nah am Hafen, um dem dort umherstreifenden
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