Der Spion der Fugger Historischer Roman
Ambitionen. Ja, es bleiben eigentlich nur die Engländer, die ja auch in der Neuen Welt den Spaniern schon arg zugesetzt haben. Wenngleich . . .« Amman Sachs zögerte kurz, ehe er fortfuhr: »Wenngleich es ein unglaublich wagemutiges Unterfangen wäre, eine so große Galeone aufzubringen, und dann auch noch auf offener See. Bisher haben die Engländer Schiffe höchstens in einem Hafen angegriffen, aber nie auf hoher See. Und ein einzelnes Schiff hätte die
Flor de la Mar
niemals besiegen können, höchstens eine Flotte der Engländer. Aber die müsste auffallen, müsste Spuren hinterlassen und aufzuspüren sein . . .«
Amman Sachs verfiel in düsteres Schweigen, während er wieder einmal die Tragweite seiner Schlussfolgerungen zu ermessen versuchte. Ob er wirklich recht hatte mit seinen Vermutungen? Oder übersah er etwas Wesentliches? Doch er konnte nichts entdecken. Es blieben nur die Engländer – oder unbekannte Meeresungeheuer.
Der mit leeren Holztellern und gefüllten Bechern heranschlurfende Wirt riss den Agenten der Fugger aus seinen Gedanken. Klappernd landete das Geschirr auf dem Tisch zwischen Sachs und Gemma, die vorsorglich den Kopf gesenkt hatte, damit der Hut wieder ihr Gesicht verdeckte.
Der Wirt seufzte, zog geräuschvoll die Nase hoch und verschwand wieder in Richtung der Küche, um sofort wieder mit einer großen Schüssel und zwei hölzernen Löffeln zurückzukehren, wobei er alles so geschickt auf die Tischplatte warf, dass nichts vom Essen daneben schwappte. Dann bewunderte der Wirt kurz sein Werk – den gedeckten Tisch –, nickte und zog sich wieder zurück.
Sachs begutachtete den Eintopf, der überraschend appetitlich roch und auch gut aussah. Sogar große Fleischstücke waren neben Rüben, Zwiebeln und Kohl in der fetten Sauce zu erkennen. Amman füllte seinen Teller, nahm dann den Becher und roch an dessen Inhalt. Ein ebenfalls angenehmes Aroma von würzigem Wein stieg ihm in die Nase.
Ohne auf Gemmas Reaktion zu warten, nahm Sachs einen kräftigen Schluck aus dem Becher, zog sein Messer, das am Gürtel hing, aus der Scheide und begann von dem dampfenden Eintopf zu essen, indem er Fleisch- und Gemüsestücke mit dem Messer aus der Schüssel spickte.
»Ja, wir müssen schauen, ob wir Nachrichten von englischen Seglern bekommen können«, nahm er kauend seinen ursprünglichen Gedankengang wieder auf. »Vielleicht sogar Nachricht von einer englischen Flotte, die irgendwo hier oder . . .« Er brach mitten im Satz ab und ließ das Messer sinken. Gemma sah seinen Adamsapfel auf und ab hüpfen, als Sachs den letzten Bissen herunterschluckte.
»Was ist?«, wollte sie wissen.
Der Fugger-Agent schluckte ein weiteres Mal. »Eigentlich wage ich es gar nicht zu denken.« Amman Sachs senkte beim Sprechen die Stimme, bis sie nur noch ein Flüstern war, und beugte sich über den Tisch, um den Abstand zu seiner Gehilfin zu verringern und noch leiser sprechen zu können. »Aber ich habe mich gerade an diesen Engländer erinnern müssen, den ich in Nombre de Dios im Hause des Hernando Hörl angetroffen habe und der die alte Fuggerlosung kannte«, raunte er. »Wenn wir nicht völlig falsch liegen, muss es da einen Zusammenhang geben!«
Die junge Frau machte ein erschrockenes Gesicht. »Du meinst, unsere Kontaktleute in Neu-Kastilien oder Neuspanien haben uns verraten? An die Engländer?«, flüsterte sie.
»Warum sonst dieser Engländer?«, fragte Sachs leise zurück. »Was wollte er da? Er war in Nombre de Dios und hatte genug Zeit, mit einem Schiff der
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vorauszufahren und irgendwo eine Flotte zu organisieren, um eine Falle aufzubauen.«
Sachs warf das Messer, das er immer noch in der Hand hielt, auf seinen Teller. »Es nützt nichts. Ich muss zurück in die Faktorei und herausbekommen, welche Beziehung unser Handelsherr mit diesem und oder anderen Engländern unterhält. Auch wenn es mir gegen den Strich geht, diesen de Alcácer, unseren Faktor hier in Lissabon, so schnell wieder treffen zu müssen. Ein unangenehmer Kerl, kann ich dir sagen. Aber es lässt sich wohl nicht vermeiden.«
Sachs erhob sich. »Ich nehme an, unsere nächste Etappe führt nach Augsburg, in die Höhle des Löwen. Ich werde mich dort sicher für diese Katastrophe zu verantworten haben. Und dabei werde ich wieder deine Hilfe brauchen, Gemma. Also sollten wir uns als Nächstes dort treffen.«
Amman Sachs wünschte der jungen Frau, die ihm schon so oft in schwierigen Situationen geholfen hatte, eine sichere
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