Der Spion der Fugger Historischer Roman
Reise, warf ein paar Münzen auf den langen Tisch und verließ mit eiligen Schritten die Gaststube. Draußen überlegte er kurz, ob er den Faktor unten am Hafen suchen sollte, beschloss dann aber, den direkten Weg durch die verwinkelten Gassen der Lissabonner Altstadt direkt zur Faktorei zu nehmen.
Wieder dauerte es eine Weile, bis der schwere eiserne Riegel innen zur Seite geschoben wurde und der Kontorgehilfe den Agenten einließ.
»Der Herr ist leider noch nicht zurück«, ließ der Gehilfe sich vernehmen und zeigte dabei einen erst suchenden, dann enttäuschten Gesichtsausdruck, als er die schöne Mexikanerin nicht in Sachs’ Begleitung entdecken konnte. »Möchtet Ihr warten, Herr Sachs? Oder wollt Ihr noch einmal wiederkommen?«
Amman Sachs ließ sich ins Kontor von Faktor de Alcácer führen und eilte sogleich an das große Stehpult, als müsse er seine wegen die Ankunft der Schiffe vergessene dringliche Depesche fertig stellen. Der Gehilfe machte erst Anstalten, als wollte er den Besucher bei dieser Arbeit nicht aus den Augen lassen; dann aber kam es ihm wohl selbst ziemlich seltsam vor, und Sachs sah in den Augenwinkeln, wie der misstrauische Kerl mit den Schultern zuckte und mürrisch den Raum verließ.
Sofort eilte Sachs zur Tür des Kontors, um zu schauen, ob der Gehilfe außer Hörweite war. Als er sich vergewissert hatte, machte er sich daran, den Raum genauer zu inspizieren.
Sachs wusste nicht genau, wonach er eigentlich suchen sollte, doch er hatte das unbestimmte Gefühl, dass hier irgendetwas im Hintergrund ablief, in das er nicht eingeweiht war. Der Engländer in Nombre de Dios . . . der Vizekönig von Neuspanien, der die alte Fuggerlosung kannte, die er eigentlich nicht kennen konnte . . . der verschlagene Fuggerfaktor in Lissabon, der nicht um die wertvolle Fracht der
Flor de la Mar
zitterte, sondern mit Schadenfreude auf das Ausbleiben des Schiffes reagierte, und die Bestätigung, dass die Goldgaleone tatsächlich verloren war, offenbar gar nicht abwarten konnte.
Sicher, das konnte auch an Alcácers miesem Charakter liegen; schließlich war er ein Mann, der lieber anderen alles Übel der Welt an den Hals wünschte, als mit ihnen um ihr Wohl zu bangen. Aber schließlich waren sie beide – Amman Sachs und de Alcácer – vom Handelsglück der Fugger abhängig, bekamen sie doch beide ihr Lohn und Brot aus Augsburg. Wieso also diese offensichtliche Missgunst des Faktors?
So leise er konnte, öffnete Sachs Schubladen, Truhen und Fächer. Selbst in auffälligen Büchern suchte er nach verräterischen Eintragungen, wobei er stets aufmerksam lauschte, ob sich vom Flur Schritte näherten oder Stimmen zu vernehmen waren. Doch er fand und hörte auch nichts Verdächtiges.
Schließlich setzte er sich in einer Ecke des Raumes auf einen auffälligen Stuhl, um von hier aus noch einmal in Ruhe das gesamte Kontor zu überblicken und zu überlegen, wo vielleicht ein Geheimarchiv oder Ähnliches von de Alcácer angelegt worden sein könnte. Jede Wand, jedes Regal, jeden Schrank, jeden Winkel schaute Amman Sachs sich ganz genau an, um möglicherweise verräterische Spuren zu entdecken. Dann rutschte er auf dem Stuhl herum, um auch die Wand hinter sich genau zu studieren.
Plötzlich stutzte er. Augenblicke später wurde ihm klar, was seine Aufmerksamkeit geweckt hatte. Er stand auf und betrachtete den Stuhl, auf dem er eben erst Platz genommen hatte.
Natürlich! Was für ein gerissenes Versteck . . .
Bei genauerer Betrachtung entdeckte Sachs, dass die Sitzfläche des Stuhls an winzigen eisernen Scharnieren hing; deren minimales seitliches Spiel hatte Sachs’ Misstrauen geweckt, als er eben auf dem Stuhl herumgerutscht war.
Nun öffnete Sachs den Sitz. Darunter kam ein zweiter Deckel zum Vorschein, der offensichtlich mit einem versenkten Schloss gesichert war. Sachs versuchte den Deckel zu heben, doch das Schloss war verriegelt.
Der Fugger-Agent schaute sich das Schlüsselloch genauer an. Es war winzig; die gesamte Konstruktion hätte einem Hebel und ordentlichem Krafteinsatz nicht lange standhalten können. Doch Sachs mochte diesen Frevel nicht offen begehen. Wie hätte er ihn erklären sollen, wenn man das aufgebrochene Schloss entdeckte?
Amman Sachs zog die Spange aus seinem Wams, mit der er sonst seinen Mantel festmachte, steckte die aus Bronze gefertigte Spitze in eine Fuge im Dielenboden und bog die Spange zur Seite, sodass die Spitze einen rechten Winkel bildete. Dann zog er die Spange aus der
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