Der Spion der Fugger Historischer Roman
jeweils gerade so viel Platz zwischen den Zeilen, dass dort allenfalls eine nur knappe Antwort eingefügt werden konnte.
Alle Fragen waren in einer schönen, gleichmäßigen Schrift verfasst. Und in der Tat waren es ausschließlich Fragen, die sich ohne Umweg dem Kern eines Problems näherten. Amman Sachs war beeindruckt, als er erkannte, dass gerade die präzise Sprache ein sehr gutes Instrument war, um die vielen Probleme rasch lösen und die richtigen Entscheidungen treffen zu können, die das Regieren eines so riesigen Landes wie Spanien mit seinen Überseekolonien notwendig machte. Der Fugger-Agent schob den Stuhl an den Tisch, öffnete das kleine Tintenfässchen und stippte den Federkiel in die schwarze Flüssigkeit.
Amman Sachs ließ sich Zeit mit der Ausfertigung seiner Antworten. Jeden Satz, jedes Wort wog er sorgfältig ab, bevor er es auf der fein schimmernden Lämmerhaut des Pergaments niederschrieb. Er ahnte, dass dies die wichtigste Arbeit seines Lebens werden könnte. Und er gab sich die größte Mühe, die verlangten Auskünfte in der bestmöglichen Form zu geben.
Als er fertig war, las er noch einmal die einzelnen Fragen und seine Erwiderungen durch, Wort für Wort. Dann erhob er sich vom Stuhl und klopfte fest an die Tür, wie der Kanzler ihn angewiesen hatte. Sofort hörte er, wie sich auf dem Gang vor der Zelle jemand rasch entfernte. Es dauerte nicht lange, bis die schweren Schritte des Cancellarius sich deutlich hörbar näherten. Der Türriegel wurde wieder geöffnet, und der Kanzler und der Agent standen sich für einen Moment schweigend gegenüber und musterten sich mit einer Mischung aus Misstrauen und Hoffnung.
Schließlich übergab Amman Sachs dem spanischen Beamten das beschriebene Pergament, der es einen Moment in den Händen wog, sich dann umdrehte und ohne Hast das Dormitorium verließ. Der Fugger-Agent schaute den Ordensbruder an, der den Cancellarius geholt hatte und mit ihm auch in den Schlaftrakt zurückgekehrt war.
»Dürfte ich mir draußen ein wenig die Beine vertreten, oder muss ich hier in der Zelle bleiben?«
Der Angesprochene lächelte nur gemein und verschloss ohne Erwiderung die Tür.
Der lichte Tag war schon eine ganze Weile von der dunklen Nacht abgelöst wurden, als der Fugger-Agent abermals hörte, wie der eiserne Riegel bewegt wurde. Diesmal trat ein Mönch herein, in einen schwarzen Mantel gehüllt; das Gesicht des Mannes wurde von einer weiten, über den Kopf gezogenen Kapuze verdeckt. Amman Sachs suchte vergeblich das aufgestickte rote Kreuz des Christusordens auf dieser Kluft.
»Folge Er mir bitte«, hörte der Agent eine tiefe Stimme aus dem dunklen Innern der Kapuze sagen.
»Wo geht es denn hin?«, fragte Amman Sachs, bekam aber keine Antwort.
Stattdessen ging der Mönch ihm mit ruhigen, gemessenen Schritten voraus über den breiten Gang des Dormitoriums bis zu einer Tür, die der vor Sachs’ Zelle bis ins Detail glich. Der Mönch öffnete und bedeutete Sachs, hindurchzugehen. Zu seiner Überraschung erkannte der Schweizer, dass keine weitere Zelle hinter der Tür lag, sondern eine in ein tiefer gelegenes Geschoss führende Wendeltreppe.
Eine Geheimtreppe!
Die Männer stiegen die Stufen hinunter und traten durch eine weitere Tür in eine Kanzlei, die fast bis ins Detail dem Kontor einer Faktorei glich. Große dunkle Schränke mit unzähligen Karteischubladen reihten sich an den Wänden. An einem imposanten Schreibpult stand im Schein einer großen Laterne der Cancellarius und schrieb in einem großen Pergament. Der Mönch stellte sich nahe der Eingangstür auf, als wollte er verhindern, dass Amman Sachs auf diesem Weg fliehen konnte.
»Alfonso de Escobar!«, versuchte Amman Sachs eine freundliche Begrüßung, doch seine Neugierde und Ungeduld waren größer. »Habt Ihr vom König Nachricht für mich? War er mit meinen Auskünften zufrieden?«
Der Kanzler hielt inne und sah auf.
»Meister Sachs! Ich hoffe, Euch ist die Zeit so allein in Eurer Mönchsklause nicht zu lang geworden. Vielleicht habt Ihr ja die Gelegenheit genutzt, reiflich über die ganze Angelegenheit nachzudenken und Eure neuen Dämonen zu besiegen.«
Der Kanzler schaute für einen Moment an Amman Sachs vorbei und fixierte offenbar einen Punkt irgendwo hinter ihm. Im Reflex folgte der Agent dem Blick und sah gerade noch, wie der hinter ihm stehende Mönch rasch den Kopf senkte.
»Nun?«, forderte Escobar wieder Sachs’ ganze Aufmerksamkeit.
»Was soll ich sagen?«, erwiderte der
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