Der Spion der Fugger Historischer Roman
Fugger-Agent. »Die Gewässer waren ruhig, die
Flor de la Mar
in einem sehr guten Zustand, die Mannschaft von ausgesuchter Loyalität, der Kommandant erfahren, die Fracht von einem unvorstellbaren Wert – und der nachfolgende Konvoi berichtet von Kampfspuren in Gestalt von Trümmern, die von einem spanischen Schiff stammen müssen. Für mich gibt es keine andere Schlussfolgerung, als dass die Goldgaleone von einer unbekannten Macht aufgebracht, gekapert, ausgeraubt und zerstört wurde.«
Der Kanzler rieb sich nachdenklich das Kinn. Dann fragte er: »Und was ist mit der Mannschaft?«
Amman Sachs überlegt kurz. »Ein solches Schiff auf offener See aufzubringen und zu attackieren ist ein ganz ungeheuerlicher und bisher nie da gewesener Frevel. Egal, wer dazu in der Lage war und diesen Überfall verübt hat – er durfte keine Zeugen übriglassen. Nur seine eigene, eingeschworene Mannschaft.«
»Also ein Akt der Piraterie?«
Der Fugger-Agent versuchte, die Tragweite seiner gewagten These zu erfassen. »Ich glaube schon«, sagte er schließlich. »Ein solches Schiff und eine solche Ladung lassen den größten Wagemut entstehen. Und es ist leider zu vermuten, dass die
Flor
selbst ahnungslos war und auf offener See keinen derartigen Angriff fürchtete.«
Escobar hob eine Augenbraue. »Ihr habt die Mannschaft also nicht zur äußersten Wachsamkeit angehalten?«
Amman Sachs spürte die Falle, die er sich gerade selbst gestellt hatte. »Oh doch«, erwiderte er rasch. »Aber wir alle haben allenfalls mit Angriffen in Landnähe gerechnet, niemals auf offener See. Die Wahrscheinlichkeit, dass dort ein Schiff einem anderen auflauert, ist viel zu gering.«
Der Kanzler lächelte schief. »Offensichtlich nicht . . . wenn es stimmt, was Ihr berichtet.«
Der Agent nickte gezwungen.
»Gibt es wirklich keine andere Möglichkeit, wie das Schiff verloren gehen konnte? Oder wo es sich jetzt aufhält?«, hakte der Spanier nach.
»Ich fürchte nein. Es sei denn, wir ziehen die Existenz der unbekannten Meeresungeheuer in Betracht, von denen verängstigte Schiffsmannschaften immer wieder einmal berichten.«
»Die Ausgeburten der Hölle . . .«, murmelte Escobar.
»Wenn Ihr es so nennen wollt. In dem Fall war es das Schicksal oder die Vorsehung, die verhindert hat, dass die Mexikaner mit ihrem Gold zu uns in die Alte Welt gelangen konnten.« Amman Sachs glaubte allerdings nicht ernsthaft an das, was er da sagte. Und seinem Blick nach zu urteilen, stimmte Escobar in dieser Einschätzung mit ihm überein.
»Habt Ihr eigentlich eine Ahnung, Meister Hohensax, welche Funktion diese Kreuzritterburg, auf der wir uns befinden, eigentlich erfüllt?«, wechselte der Spanier ganz unvermittelt das Thema. Tatsächlich hatte sich Amman Sachs die letzten Stunden viel intensiver mit dieser Frage beschäftigt als mit dem Verbleib der Goldgaleone.
»Ich kann nur mutmaßen, Herr. Es ist auffällig, dass die Ordensbrüder hier – mit Ausnahme des Bruders hinter mir – das gleiche rote Christuskreuz auf der Brust tragen wie die Schiffe der Konquistadoren auf ihren Segeln. Dann finden sich überall in dieser Klosterburg diese Zeichen und Symbole aus fremden Landschaften und Kulturen. Ich hatte bisher stets geglaubt, Salamanca sei die Ausbildungsstätte der Weltreisenden und Eroberer. Doch allmählich begreife ich, dass das wahre Wissen der Seefahrer hier in diesen Mauern weitergegeben wird. Es scheint in dieser Burg eine geheime Universität der Entdecker der Neuen Welten zu geben, von der nichts bekannt ist.«
Wieder nickte der Kanzler, tief in Gedanken. »Ihr habt recht. Ja, Ihr habt es sehr gut getroffen. Habt Ihr gewusst, dass vor hundert Jahren Heinrich von Portugal, genannt der Seefahrer, der Großmeister des Ordens der Christusritter war? Und im Augenblick ist Portugals so junger und so glückloser König Sebastian selbst der Großmeister dieses Ordens. Ihr seht also, wie bedeutend diese Organisation ist und welches ungeheure Gewicht ihr beigemessen wird.«
»Warum aber diese unglaubliche Geheimniskrämerei?«, wagte Amman Sachs eine ihm selbst ungeheuerlich erscheinende Nachfrage; und er rechnete eigentlich nicht mit einer Antwort, doch er sollte sich irren.
»Ihr meint das Mysterium, das diesen Ort, die Klosterburg, umgibt? Warum möglichst kein Mensch erfahren darf, was für Wissen und welche Wahrheiten in diesen Mauern bewegt und bewahrt werden?« Der Cancellarius holte tief Luft. »Nun, unsere Welt verändert sich, mein junger Freund.
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