Der Spion der Fugger Historischer Roman
allen Landen. Wenn nun alle Welt erführe, dass das heilige katholische Spanien seines größten und derzeit sicher wichtigsten Kronschatzes beraubt wurde – durch wen oder was auch immer –, die verwerflichen Reaktionen der Feinde des Stuhles Petri und der Krone Kastiliens würden unmittelbar zu spüren sein. Mit unabsehbaren Folgen für uns alle.«
Amman Sachs verkniff sich eine Erwiderung, denn nun wusste er, worauf all diese vertraulichen Erklärung und damit verbundenen düsteren Prophezeiungen letztlich hinauslaufen sollten.
»Ich sehe, Ihr schweigt lieber«, kommentierte der Kanzler die Reaktion des Agenten. »Dann ist Euch wohl endlich die gesamte Tragweite Eurer Schuld in all ihren Dimensionen bewusst geworden, Meister Hohensax, nicht wahr?«
Der Angesprochene kniff für einen Moment sein linkes Auge leicht zusammen, dann drehte er sich um, um noch einmal zu versuchen, das Gesicht des Mönchs zu erkennen. Aber der senkte wieder schnell den Kopf, sodass seine Züge in der weiten Kapuze seines Mantels verborgen blieben. Trotzdem ließ Amman Sachs den Blick weiter auf dem Ordensmann ruhen, während er sich gleichzeitig rückwärts wandte und sich mit dem Rücken seitlich an einen der Karteischränke lehnte. So stand er nun nicht mehr genau zwischen Mönch und Kanzler, sondern ein wenig seitwärts. Und konnte jetzt seinen Blick frei zwischen den beiden Männern hin und her schweifen lassen.
»Könnte es sein«, begann er vorsichtig in einem plötzlich nüchternen und gar nicht mehr ehrfurchtsvollen Tonfall, »dass wir uns hier längst in Kreditverhandlungen befinden, meine Herren? Wenn der Verlust einer königlichen Goldgaleone im Wert von einer, vielleicht einer Million zweihunderttausend Pesos die öffentliche Ordnung Europas gefährdet, dann wird nur ein vergleichbarer Kredit eines wirklich potenten Geldgebers diese unglaubliche Gefahr verlässlich abwenden können, nicht wahr?«
Blitzschnell schossen jetzt Blicke zwischen Amman Sachs, dem Kanzler und dem Mönch hin und her, denn auch Letzterer hatte nun den Kopf leicht gehoben, sodass man im Laternenlicht funkelnde Augen erkennen konnte, ohne dass die Gesichtszüge zu deuten gewesen wären.
Alfonso de Escobar ergriff als Erster wieder das Wort.
»Findet Ihr es nicht unverschämt, Hohensax, seiner Majestät König Philipp erst seinen Kronschatz zu nehmen und ihm dann in aller Ruhe einen teuer verzinsten Kredit als Ersatz dafür anbieten zu wollen? Ihr befindet Euch hier immerhin in seiner Gewalt und seid weit davon entfernt, sein Gastrecht als einer seiner Handelspartner genießen zu dürfen.«
Amman Sachs dachte kurz über das Gehörte nach; dann entgegnete er: »Nach meiner Erinnerung waren die Verträge zwischen dem Haus Kastilien und meinem Handelsherrn eindeutig. Die Schätze, die sich an Bord der
Flor der la Mar
befanden, gehörten formal noch den Mexikanern, die die Schätze auch aufs Schiff gebracht hatten und dort beaufsichtigten. Die Wertgegenstände waren offiziell noch nicht an König Philipp übergeben worden, als die Galeone in See stach, wenn ich mich nicht täusche. Also könnten allerhöchstens die Mexikaner in dieser Sache einen Anspruch an das Kaufmannshaus der Fugger stellen. Aber die Mexikaner hatten diesbezüglich keine Abmachung mit meinem Handelsherrn. Korrigiert mich, Meister Escobar, wenn ich einer Fehleinschätzung unterliege.«
Sachs hatte versucht, nicht zu selbstgefällig zu klingen, um seine Verhandlungspartner nicht unnötig zu provozieren. Doch die Erkenntnis, dass eigentlich nicht er sich hier in der Defensive befand, um sich für den Verlust der Goldgaleone zu verantworten, sondern die Spanier in einer viel größeren Bredouille steckten, weil sie nun so schnell wie möglich irgendwo anders die gewaltigen Geldmittel beschaffen mussten, um ihre riesigen Staatsausgaben zu bestreiten, erfüllte ihn mit einer gewissen Genugtuung. Außerdem war damit seine Sorge vor etwaiger Bestrafung wie weggeblasen. Es ging hier nicht um sein Leben; es ging hier nur um Geld.
»Er unterliegt einer schweren Fehleinschätzung!« Der Mönch hatte unvermittelt gesprochen. Die Plötzlichkeit, mit der seine tiefe und ernste Stimme die Stille durchbrach, erschreckte Amman Sachs bis ins Mark. Mit einer beiläufigen Bewegung schob der Ordensmann die Kapuze zurück, die bisher sein Gesicht verhüllt hatte, und der Fugger-Agent erkannte unmittelbar sein Gegenüber: Es war König Philipp von Spanien höchstpersönlich!
»Sein Handelsherr hatte
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