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Der Spion der Fugger Historischer Roman

Der Spion der Fugger Historischer Roman

Titel: Der Spion der Fugger Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Kessing
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Sie verändert sich mit rasender Geschwindigkeit. Und sie verändert sich, weil
wir
es so wollen. Als die Tempelritter vor nunmehr viereinhalb Jahrhunderten im Morgenland als Kreuzfahrer keinen Krieg führten und stattdessen Freundschaft schlossen mit den Heiden des Orients, gewannen sie Zugang zu einem ungeheuren Wissensschatz. Das Wissen der Alten, wie wir es nennen. Unglaubliches Wissen, unfassbare Wahrheiten, die unsere abendländische und christliche Welt ins Wanken brachten.
    Zugleich aber war es wertvolles Wissen, das es uns ermöglicht hat, große Schiffe zu bauen, mit denen wir die weiten Meere bereisen konnten, um sagenhafte neue Länder zu erobern – für unseren Gott und unsere weltlichen Herren. Doch es bleibt in erster Linie auch gefährliches Wissen, das die unfehlbare Autorität von Papst und König erschüttern kann, falls es an die Öffentlichkeit dringt.
    Überlegt Euch nur Folgendes: Als Christoph Kolumbus vor nicht einmal einem Jahrhundert im Zeichen des Christusordens aufbrach, um die Westroute nach Indien zu erkunden, waren dieser größten Expedition der Menschheit umfangreiche astronomische Berechnungen vorausgegangen, um die Dauer der Fahrt möglichst genau zu bestimmen. Wenn es einen Weg in Richtung Osten nach Indien und in den fernen Orient gab, war es nur selbstverständlich, dass eine Route auch andersherum um den Globus führen musste. Kolumbus fand seinen Weg. Aber er fand nicht Indien, sondern die Länder, die heute Amerika genannt werden. Gottes Vorsehung, Gottes Segen, königliche Weitsicht!
    Und doch, diese königliche Weitsicht . . . Hätte es nicht zufällig diese amerikanischen Lande auf den Weg nach Westen gegeben, wären Kolumbus und seine Leute auf hoher See elendig verhungert und verdurstet. Das wissen wir heute, wo wir die tatsächliche Größe unserer Erde zu ergründen verstehen. All die klugen, unfehlbaren Herren, die diese Reise vorbereitet haben, hatten sich mit der Westroute nach Indien dramatisch verrechnet, um einige tausend Meilen. Hätte er nicht zufällig Amerika entdeckt, wäre Kolumbus verschollen; er und seine Leute wären qualvoll verreckt.
    Heute wissen wir das. Damals hätten wir es uns denken müssen. Das haben wir aber nicht – beziehungsweise unsere Vorgänger. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn solche Fehler der Obrigkeit beim Volk bekannt würden. Jede Autorität und damit jegliche Ordnung wären gefährdet. Könnt Ihr das verstehen, Meister Hohensax?«
    Wieder entdeckte der Fugger-Agent, dass der Kanzler an ihm vorbei den Mönch, der immer noch hinter ihm stand, fixierte, als wollte er sich dessen Zustimmung vergewissern. Das verwirrte Sachs genauso wie die Tatsache, dass er den Grund nicht erkennen konnte, warum der Spanier ihn in diese unerhörten Geheimnisse einweihte.
    »Es geht um die Aufrechterhaltung der Ordnung«, versuchte der Fugger-Agent eine Erwiderung. »Das ist es doch, was Ihr mir zu sagen versucht, nicht wahr? Um die Gestaltung der Welt, die Eroberung der Welt, die gottgewollt scheint und doch in erster Linie ein von Menschen getriebenes Unterfangen ist. Und Menschen machen Fehler. Aber Gott, und der König von Gottes Gnaden, dürfen keine Fehler machen. Also limitiert Ihr das Wissen, um eventuelle Fehler nicht als solche erkennbar werden zu lassen!«
    Der Kanzler nickte. »Und damit die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten. Überlegt nun weiter, Hohensax. Die
Flor de la Mar
, über die Ihr zu wachen hattet, war mit Gold und Juwelen im Wert von mehr als einer Million Pesos beladen. Was würde passieren, wenn außerhalb dieser Mauern bekannt würde, dass die Krone Kastiliens so viel Geld verloren hat, weil sie Fehler macht wie jeder gewöhnliche Sterbliche?«
    Amman Sachs begann endlich zu verstehen. »Die Feinde Spaniens würden augenblicklich die Messer wetzen, die Menschen im Land würden das Vertrauen in ihre Herrschaft verlieren, und die öffentliche Ordnung würde unweigerlich zusammenbrechen . . .« Der Schweizer erschauerte, als er die ungeheuerliche Dimension erkannte, die sein Scheitern und der Untergang der Goldgaleone bedeuteten. »Spanien, ja ganz Europa würde ins Chaos taumeln!« Amman Sachs stockte vor Schreck der Atem. Auch den Mönch hinter sich hörte er trocken hüsteln.
    »Ganz recht, mein Freund«, fuhr der Cancellarius nach einer Kunstpause mit seinem Gedankengang fort. »Und bedenkt dabei, dass unsere Welt ohnehin schon verunsichert ist durch das Auftauchen des schädlichen Protestantismus in

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