Der Spion der Fugger Historischer Roman
hütete sich, dies gegenüber dem Hauptfaktor offen auszusprechen. Stattdessen entgegnete er: »Ich werde also wieder unter einer frommen Legende reisen. Mich als Fugger zu erkennen zu geben, wäre vor allem auf der anderen Seite des Kanals nicht zu meinem Vorteil.«
Peutinger lachte.
»Es ist ja gerade Eure Aufgabe, auch dort einen Vorteil daraus zu machen, dass Ihr ein Fugger seid. Bei Eurer Ankunft solltet Ihr allerdings Vorsicht walten lassen. Äußerste Vorsicht! Das zarte Pflänzchen, das zwischen Augsburg und London sprießt, ist noch sehr empfindlich und steht in keinem strammen Wuchs. Das gerade sollt Ihr ja erst schaffen!«
Hastig schrieb der Hauptfaktor noch einen weiteren Brief fertig, den er faltete, umständlich siegelte und dann ebenfalls Sachs überreichte.
»Hier gebe ich Euch noch ein besonderes Empfehlungsschreiben für den Herrn von Bodeck mit auf den Weg. Er wird Euch schon die richtige Legende zu verschaffen wissen. Unter seinem Schutz sollte es Euch gelingen, zwischen den eifersüchtigen Kaufleuten der Engelländer unbehelligt zu bleiben. Von Bodeck wird auch dafür sorgen, dass Ihr ein geeignetes Entree beim englischen Hof bekommt. Seht nur zu, dass Ihr dort reichlich genug für unsere Sache und die Sache der Fugger ausrichten könnt. Aus Spanien habt Ihr ja auch immerhin die Anfrage eines ganz ordentlichen Kreditgeschäfts mitgebracht – auch wenn die Umstände für uns dabei denkbar ungünstig sind.«
Mit diesen Worten entließ Kasper Peutinger seinen Agenten. Amman Sachs suchte sich im Reiterhof, wo sich die Stallungen der Fuggerhäuser befanden, ein gutes Pferd heraus, mit dem er die weite Reise über Nürnberg und Frankfurt nach Antwerpen wagen konnte.
Als Sachs die Fuggerstadt Augsburg durch das nördliche Stadttor verließ und den »Bärenkeller« passierte, fragte er sich, was seine gute Gemma jetzt wohl machte und ob es ihr wirklich gelingen könnte, diesem Francis Walsingham auf den Fersen zu bleiben. Einst hatte Sachs geschworen, dieses Mädchen – damals noch ein Kind – unter seine Obhut zu nehmen. Er sollte für ihre Ausbildung und Erziehung sorgen und sie beschützen. Und was hatte er aus ihr gemacht? Eine Abenteuerin, die in falscher Nonnentracht durch die Lande streifte und ihm immer wieder dank ihrer heimlichen Existenz aus schwierigen Situationen half.
Nein, wie eine Tochter hatte Amman Sachs die gute Gemma nie behandelt. Eher wie den Sohn, den er nie hatte und wohl auch nie haben würde, wenn nicht zwischen Johanna und ihm noch ein Wunder geschah. Aber dieses Wunder war für Amman Sachs völlig undenkbar. Und so war es gewiss ein guter Tausch, dafür Gemma zu haben, auf die er sich immer und überall verlassen konnte.
Auf seiner Reise vergaß der Fugger-Agent nie, bei den jeweiligen Faktoreien nach einer Nachricht für ihn nachzufragen, obwohl Gemma ja dann – falls überhaupt – nur einen geringen Vorsprung zu ihm haben konnte. Aber tatsächlich händigten ihm die Kanzleischreiber in der Faktorei von Frankfurt einen Brief aus, den er sofort als Botschaft von Gemma erkannte.
Da das Schreiben kein Siegel mehr aufwies, war Sachs sich sicher, dass der hiesige Fuggerfaktor den Brief gelesen hatte. Aber der Inhalt war wie verabredet belanglos. Und Amman Sachs konnte es kaum erwarten, endlich eine geeignete Herberge zu finden. Er wollte ein Gastzimmer für sich mieten, um dort vor neugierigen Augen verborgen die Korrespondenz nach einer geheimen Schrift zu untersuchen. Irgendwie fand er das alles auf gewisse Weise auch sehr aufregend.
Tatsächlich wurde durch die Flamme seiner Kerze eine unsichtbare Botschaft erkennbar:
»W. gen Abend unterwegs. Reist allein. Gibt sich als Spanier aus.«
Sachs wunderte sich über den sehr knappen Schreibstil seiner Gehilfin. Dann erinnerte er sich daran, dass Zitronen rar und schwer zu bekommen waren. Da konnte es nur sinnvoll sein, mit dem so kostbaren Saft dieser Frucht nach Kräften hauszuhalten.
Also nach Westen wollte Walsingham. Amman Sachs überlegte, ob es ein Problem für ihn werden könnte, falls er den Engländer ausgerechnet in London wieder treffen würde – schließlich kannte der seine wahre Identität als Angehöriger des Kaufmannshauses der Fugger. Andererseits arbeiteten sie beide offensichtlich an der gleichen Sache, nur eben von unterschiedlichen Seiten aus. Und sie verband ein gemeinsamer Handel, eine kleine Konspiration gegen ihre jeweiligen Herren. Es würde sich zeigen, was dieses ganz eigene Band
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