Der Spion der Fugger Historischer Roman
ältesten Teil der gesamten Festung bildete, war aus Sicherheitsgründen nur über einen Zugang im ersten Stockwerk zu erreichen. Zu ebener Erde war kein Hineinkommen in das stark befestigte Bauwerk.
Sachs spürte, wie sein Herzschlag sich mit jedem Schritt weiter beschleunigte. Er lief wieder auf den Zehenspitzen, weil er Angst hatte, dass jeder unnötige Laut ihn verraten könnte.
Er hatte jetzt den höher gelegenen Flur erreicht, der allerdings bald vor einem Durchgang endete, der ins Freie führte. Amman Sachs schaute hinaus und sah, dass der Weg mit einem Wehrgang auf einer weiteren Schutzmauer unmittelbar am White Tower fortgeführt wurde. Die beiden Soldaten hatten den Wehrgang bereits passiert und einen Vorturm zum White Tower betreten, der offenbar den Eingang zur Festung barg.
Wieder achtete Amman Sachs darauf, sich ganz nah an der Wand des White Towers zu halten, sodass man ihn von unten nicht sehen konnte. Doch fühlte er sich wie eine Fliege auf einem weißen Tuch, da der White Tower nicht ohne Grund »Weißer Turm« genannt wurde: Er war vollständig gekalkt. Trotz der lichtlosen Dunkelheit der Nacht schienen die Wände zu leuchten.
Sachs war froh, als auch er den kleinen Turm betreten konnte, von dem aus es zur eigentlichen Festung ging. Er lauschte kurz, konnte aber nur die Schritte der Soldaten in einiger Entfernung voraus vernehmen. Also schlüpfte er hinterher, wobei er sich zunehmend Sorgen machte, wie er den ganzen Weg wieder zurück schaffen sollte. Und wie sollte er sich herausreden, falls man ihn entdeckte?
Gerade als er den Bewaffneten eine Treppe hinunter in die dunklen Abgründe des Tiefgeschosses im White Tower folgen wollte, vernahm er eine vertraute Stimme aus einem angrenzenden Raum. Die Tür stand offen, und Sachs erblickte keinen Geringeren als Francis Walsingham. Aber das war es nicht, was seine Aufmerksamkeit in erster Linie fesselte und ihn zutiefst erschütterte: Auf einen Stuhl saß, an beiden Armen mit Lederriemen an die Lehnen gefesselt, seine Gehilfin Gemma, die einen bemitleidenswerten Eindruck machte.
Verdammt!, durchfuhr es den Fugger-Agenten. Wie hatte er das Mädchen einer solchen Gefahr aussetzen können?
Er überlegte fieberhaft, wie er Gemma aus der bedrohlichen Situation befreien konnte. Walsingham überwältigen und Gemma losbinden war das eine; aber wie sollten er und das Mädchen aus der Festung herauskommen?
Sachs fluchte lautlos und biss sich auf die Lippen. Da war er der Lösung der Aufgabe, die ihn hier hinein geführt hatte, so nahe – und nun das!
Noch einmal schaute er vorsichtig in den Raum mit dem Engländer und der gefangenen Gemma. Walsingham hatte sich auf einen zweiten Stuhl der Gefesselten gegenüber gesetzt und sprach leise auf sie ein. Unmittelbare Gefahr bestand offenbar nicht; zumindest schien Gemmas Leben nicht in Gefahr zu sein. So entschied Sachs sich schweren Herzens, den beiden Soldaten erst einmal in die Tiefe des White Towers zu folgen. Später würde er zurückkehren und schauen, ob er den Engländer überwältigen und Gemma befreien konnte.
Aufgewühlt näherte Sachs sich der Treppe, die nach unten führte. Dicht an die Mauer gedrückt schlich er hinunter. Je weiter er sich von Gemma entfernte, desto mehr machte sein Gewissen ihm zu schaffen, sie ohne Hilfe zu lassen. Aber er musste herausfinden, wo die geheime Küche der Alchemisten sich befand – und ob sie wirklich das Mysterium der Goldmacher gelöst hatten.
Sachs stieg der Geruch von Feuchtigkeit in die Nase. Er war jetzt auf dem unteren Treppenabsatz angelangt. Feiner Rauch lag zudem in der Luft. Von den zwei Soldaten war hier unten nichts mehr zu sehen. Sachs lauschte. Die Mauern mussten hier sehr dick sein; die Gänge waren enger als oben. Und Fenster oder auch nur Schießscharten gab es keine. Wieder waren es Fackeln, die das einzige Licht spendeten und wahrscheinlich für den leichten Rauchgeruch verantwortlich waren.
Sachs schlich aufs Geratewohl den Gang hinunter. Er erkannte, dass er in einem Kerker sein musste, dem Verlies der Festung. In regelmäßigen Abständen waren Eisenringe in die Wände eingelassen, und statt Türen deuteten eiserne Pforten mit vergitterten Luken auf dahinterliegende Zellen hin.
Als Amman Sachs um eine Ecke des Steinganges bog, sah er vor sich wieder die beiden Soldaten, die soeben mühsam eine der schweren Pforten öffneten. Sofort hielt der Agent inne und horchte, ob er entdeckt worden war. Doch die Männer vor ihm waren so mit ihrer
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