Der Spion der Fugger Historischer Roman
Aufgabe beschäftigt, dass sie ihn gar nicht bemerkten.
Schließlich hatten sie die schwere Tür aufgebracht und verschwanden im Innern der Zelle. Sofort eilte Sachs ihnen nach und spähte ihnen vom Gang aus hinterher. Die Kammer, die er jetzt sah, war von Laternen hell erleuchtet. Im Zentrum des Raumes stand ein großer Ofen – ein Athanor, wie Amman Sachs erkannte, allerdings mit einer ungewöhnlichen, aus Kupfer gearbeiteten Haube, die augenblicklich eine gewaltige Hitze auszuströmen schien. Für den Rauch des Ofens war nach oben weg eine Esse zu sehen, die sich im darüber liegenden Geschoss verlor.
Außer den beiden Soldaten hielt sich nur ein anderer einzelner Mann in der Zelle auf. Er hantierte eifrig mit großen Tiegeln, die er abwechselnd in den Ofen schob oder herausholte. Der Unbekannte hatte schulterlanges dunkles Haar, das ihm schweißnass das Gesicht verklebte. Als der Mann dem Fugger-Agenten kurz den Kopf zudrehte, erkannte Sachs, dass der Langhaarige keine Ohren mehr besaß.
»Master Talbot, welches ist das fertige Gold?«, fragte einer der Soldaten, wobei er sich in der Zelle umsah. »Der Münzer fragt nach Nachschub.«
Der Angesprochene richtet sich zu seiner vollen Größe auf und starrte den Frager unwirsch an. »Ich kann zaubern, aber keine Wunder vollbringen. Wir müssen den Kronschatz nicht in einer Nacht erretten. Sagt das dem Münzer. Er soll für heute aufhören und morgen bei Tagesanbruch weitermachen; dann habe ich genug neues Gold für ihn. Und jetzt lasst mich arbeiten!«
Die Soldaten schauten sich ratlos an. Dann trollten sie sich und verließen achselzuckend die Alchemistenküche.
Amman Sachs rannte schnell den Gang, in dem er sich befand, ein Stück weiter hinauf. Da er keine Nische zum Verstecken fand, warf er sich in der Dunkelheit flach auf den Boden und hielt den Atem an. Er hörte, wie die Zellenpforte wieder mühsam geschlossen wurde – sie musste sich durch die Hitze des Ofens wohl verzogen haben. Dann verklangen auch bald die Schritte der Soldaten in der anderen Richtung des Ganges.
Sachs stand wieder auf, klopfte seine Kleidung ab und ging zu der jetzt verschlossenen und, wie er sah, sorgsam verriegelten Zellenpforte. Er schaute hinein. Der langhaarige Alchemist wischte sich gerade mit einen Tuch den Schweiß aus dem Gesicht. Dann warf er das Tuch auf eine niedrige Bank und setzte sich.
»Dr. Dee, was habt Ihr mir da eingebrockt?« Der Mann, den die Soldaten »Master Talbot« genannt hatten, hatte mit normaler Lautstärke zu sich selbst gesprochen und dabei erschöpft auf seine Hände geschaut. Die Haare waren ihm vors Gesicht gefallen, sodass Sachs im Zwielicht des Kellers die Augen Talbots nicht mehr erkennen konnte.
Jetzt stand der Langhaarige wieder auf und nahm dabei einen der kalten Tiegel vom Boden, den er seitlich auf ein Tischchen stellte. Unter dem Tisch holte er eine kunstvoll gearbeitet Flasche aus Glas hervor, wie Amman Sachs sie noch nicht oft gesehen hatte. Zu seiner Verwunderung konnte er nun beobachten, wie der Alchemist den Korken zog und eine wie flüssiges Silber wirkende Substanz in den Tiegel goss.
Dann griff er in eine verborgene Tasche seines bläulich schimmernden Umhangs und holte eine vollkommen ebenmäßige Kugel hervor, die von Farbe und Gestalt her aus Elfenbein gemacht schien. Auch hier löste der Alchemist einen winzigen Korken und schüttete dann, wie es dem Fugger-Agent schien, ein feines Pulver über das flüssige Silber im Tiegel.
Amman Sachs ahnte, dass er hier tatsächlich Zeuge der Offenbarung des größten aller alchemistischen Geheimnisse wurde – des Geheimnisses der wahren und echten Goldmacherei. Und obwohl er nicht glauben konnte, was er da sah, beeindruckte ihn das rätselhafte Hantieren des Alchemisten, der durch das Fehlen seiner Ohren und den ganz unglaublichen Ort, an dem sie sich befanden, dem Schweizer wie eine Ausgeburt der Hölle erschien. Ein Schauer lief ihm über den Rücken, als der Mann in der Zelle den Ofen öffnete und den Tiegel mit einer schweren Eisenzange ins Innere der Glut schob.
Sofort verschloss Talbot die Klappe des Athanors und nahm wieder das Tuch von der Bank, um sich den Schweiß abzuwischen. Dann tunkte der Langhaarige sein Tuch in ein Fass mit Wasser und bestrich zischend die Kupferhaube des Ofens. Dicke Dampfschwaden stiegen auf und ließen die Szenerie noch diabolischer erscheinen.
Nach kurzer Zeit, so kam es Sachs zumindest vor, öffnete der Mann die Ofenklappe wieder. Er schien
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