Der Spion der Fugger Historischer Roman
Soldaten.
Wie zwei Raubkatzen belauerten sich die beiden Kämpfer, wobei sie einander mit den Hellebarden auf Abstand hielten. Sachs wusste, dass er nur wenig Zeit hatte, bis weitere Soldaten auf den Tumult aufmerksam würden oder Walsingham zusätzliche Hilfe holte. Im Moment war der Mann zwar noch zu geschockt von der plötzlichen Wendung der Ereignisse, aber das konnte sich schnell ändern.
Sachs musste angreifen, um die verbleibende Zeit bestmöglich zu nutzen. Er hob die nach vorne gerichtete Hellebarde mit beiden Händen hoch über den Kopf, wodurch sie auf den Soldaten, auf den die Spitze gerichtet war, noch bedrohlicher wirken musste – wie eine riesige Schlange, die sich zum Angriff aufgerichtet hatte. Und dann stach Amman Sachs mit aller Kraft zu, wohl wissend, dass dieser Stich ins Leere gehen würde. Doch er nutzte den Schwung seines Angriffs, um mit einer schnellen Körperdrehung um die eigene Achse die Waffe zu einem zweiten Streich zu führen, der diesmal den Soldaten direkt oberhalb der Hüfte erwischte.
Der Schweizer sah das verblüffte Gesicht des Mannes, als die Waffe ihn traf. Der Schwung der Hellebarde riss ihn von den Beinen, und er prallte gegen die Wand des Kellerganges.
Nun standen sich nur noch Amman Sachs und Francis Walsingham gegenüber. Sachs atmete schwer und richtete seine Waffe auf den Engländer, wobei er näher trat, bis die Spitze der Hellbarde Walsinghams Wams auf Höhe von dessen Herzen berührte.
»Los, die Treppe hoch!«, herrschte Sachs den anderen an. »Und keine plötzlichen Bewegungen. Ihr würdet es nicht überleben!«
Der Engländer hatte sich jetzt wieder gefangen. Er nickte überlegt, drehte sich um und ging voraus zur Steintreppe, die ins Obergeschoss führte. Sachs ahnte, dass der andere irgendwo am Körper ein Messer oder einen Dolch trug, wollte aber nicht näher als die Länge der Waffe an ihn herantreten, um ihn zu durchsuchen.
Langsam, Schritt für Schritt, gingen beide Männer hintereinander die Treppe hinauf. Amman Sachs überlegte fieberhaft, was für ihn weiter zu tun sei. Im Augenblick war er Herr der Lage. Und er dankte Gott und seinen Ausbildern bei der Schweizergarde, dass er den Drill im Nahkampf immer wieder hatte üben müssen.
Aber wie sollte er es aus dieser Festung heraus und später aus London schaffen? Sollte er Walsingham – den einzigen Menschen, der ihn sicher enttarnen konnte – einfach töten, indem er ihn hier auf dem Aufgang in den Rücken stach? Dann könnte er Gemma holen, und sie könnten zusammen zum Tor hinaus spazieren, Verkleidungen anlegen und das Land verlassen. Niemand würde wissen, wer das Blutbad hier angerichtet hatte. Der verletzte Soldat konnte nur eine unsichere Beschreibung seines Gegners geben, den er lediglich im Halbdunkel eines Kellerganges gesehen hatte. Und Gemma war eine Frau wie viele andere.
Doch einen bereits Überwältigten wie Walsingham einfach töten . . .?
Mit einem Mal kam Sachs ein verstörender Gedanke: Woher hatten die Engländer gewusst, wo sie auf ihn warten mussten? Woher hatten sie wissen können, dass er beim Alchemisten war und diesen beobachtete? Und dass sie ihm dort würden auflauern können? Walsingham schien sich seiner Sache sicher gewesen zu sein. Er schien gewusst zu haben, nicht irgendjemanden, sondern Amman Sachs gefangen nehmen zu können. Aber wie konnte das sein?
Der Schweizer stach dem Mann vor sich mit der Spitze der Hellebarde leicht in den Rücken, sodass ihre Schärfe zu spüren war, ohne ihn zu verletzen. »Redet, Walsingham. Wieso habt Ihr mich da unten erwartet? Woher habt Ihr gewusst, dass ich da bin?« Sie waren mittlerweile am oberen Treppenabsatz angekommen.
Der Angesprochene drehte sich um und blickte Sachs fest in die Augen. »Ihr seid nicht der Einzige, der sein Handwerk versteht. Seit unserer letzten Zusammenkunft in diesem stinkenden Keller in Augsburg habe ich einen Schatten gehabt. Einen sehr niedlichen Schatten, zugegeben, aber doch einen Schatten, der sich nicht leicht abschütteln ließ. Ein gerissener Einfall, Hohensax, ein Mädchen für Eure Dienste einzuspannen. Und sie ist giftig und widerborstig, sogar unter der peinlichen Befragung. Ihr könnt versichert sein, ich habe alles versucht, sie für meine Dienste anzuwerben. Aber ich habe noch nicht einmal den Namen Eurer Freundin herausgebracht. Meinen Respekt für diese Gehilfin.«
Amman Sachs erkannte, dass der Engländer ihn abzulenken versuchte. Seine Frage hatte Walsingham jedenfalls nicht
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