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Der Spion der Zeit

Der Spion der Zeit

Titel: Der Spion der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcelo Figueras
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und schoss ihm in den Hals. Während Di Tulio wie eine Puppe zuckte und zappelte, machte Félix Rey Pantoja einen weiteren Schritt auf ihn zu, hielt die Waffe an seine Brust und drückte nochmals ab.
    Di Tulio erfuhr nie, wie schnell ihm sein Mörder auf dem Weg in den Hades folgte. Dumont, der den Auftrag hatte, Pantoja zu beschatten, brauchte einen verhängnisvollen Augenblick zu lang, bis er begriff, dass der hinkende Seemann nicht in das Lokal gegangen war, um dort zu Abend zu essen. Beim Versuch, seine Verfehlung wieder gutzumachen, schoss er Pantoja zweimal in den Rücken, genau zwischen die Schulterblätter.
    III
    Die Frage um die Identität des wahren Mörders der Prätorianer wühlte die Gemüter auf.
    Seit Ferrer und Abellán tot aufgefunden worden waren und die Vorstellung von einem geheimnisvollen Mörder durch die Köpfe der Öffentlichkeit geisterte, konnte niemand der Versuchung widerstehen, Mutmaßungen anzustellen. Obwohl man keine klare Vorstellung davon hatte, wer er tatsächlich sein könnte (man ging von einer Rache der Opfer des Regimes aus, von einer Abrechnung unter Militärs und sogar von einer internationalen Mafia, die die Prätorianer für ihre mangelnde Kooperation büßen ließ; manch einer erinnerte sich daran, dass es eine der ersten Amtshandlungen des Regimes gewesen war, die Internationale Euro-Bombay-Gesellschaft unter Druck zu setzen, damit sie das Land verließ), erging man sich in wildesten Spekulationen. Es musste ein geheimnisvolles Wesen sein, mächtig und wohlhabend, der wahre Monte Christo. Eine finstere übermenschliche Gestalt, die auftauchen und wieder verschwinden konnte, ohne jegliche Spuren zu hinterlassen.
    Die Enthüllung, die Prätorianer seien die Opfer eines zwielichtigen Provinzsergeanten namens Álvaro Benet, rief erst Überraschung und dann zwangsläufig Enttäu schung hervor. Benet war einfach gestrickt, ein Tier, und er hatte weder Frau noch Freunde, die ihn verteidigen, eine Erklärung für sein Verhalten abgeben oder ihn diffamieren konnten. Er tat ihnen nicht einmal den Gefallen, vor die Kameras zu treten und die perversen Motive seiner Taten darzulegen oder ein Publikum zu bespucken und zu beschimpfen, das ihn gehasst hätte. Eine Polizeibeamtin, Sergeant Nora Duarte, hatte ihn – Moliners Blut noch an den Händen – überrascht und auf der Stelle getötet.
    Benet war zwar weder geheimnisvoll noch mächtig, aber durchaus ein finsterer Geselle. Er stammte selbst aus den Reihen des Militärs und war später in den Polizeidienst eingetreten. Während des Prätorianerregimes hatte er als Mann fürs Grobe gegolten. Bei ihren Recherchen fanden die Journalisten heraus, dass sein Name mit einer Reihe von Anzeigen in Verbindung stand (je mehr sie im Dreck wühlten, desto mehr Anzeigen tauchten auf), die ihn als Entführer, Folterer und Mörder auswiesen. Bei diesen Anzeigen erschien der Name Benet im Zusammenhang mit anderen mutmaßlichen Entführern, Folterern und Mördern, die von der Justiz nie angetastet worden waren und ihr Leben in absoluter Freiheit weitergeführt hatten, wie zum Beispiel Jorge Di Tulio. Nicht wenige von ihnen waren sogar noch in den Reihen des Heeres, der Polizei, des Geheimdienstes, der Präfektur und der privaten Sicherheitsdienste tätig.
    Die Journalisten kamen zu dem Schluss, dass es nicht angeraten war, weiter im Dreck zu wühlen, denn sie würden nur eine stinkende Grube freilegen, die sie lieber nicht betreten wollten, zumal sie selbst im Sumpf standen.
    Die Figur Benet rief nur Unbehagen hervor. Da konzentrierten sie sich lieber auf Nora Duarte, die Tochter eines Polizeibeamten, jung, fotogen und mit allem ausgestattet, was für die Rolle der Heldin notwendig war.
    Außer mit dem Wunsch, eine zu sein.
    IV
    Das ist die offizielle Version von Moliners Ermordung:
    Benet hatte die Kathedrale betreten, einen Wachmann niedergestochen und die Tür verriegelt, während Moliner sich in der Kirche befand.
    Mit der ihm eigenen, sprichwörtlichen Brutalität hatte er den Henker bis zum Kreuz hinaufgezerrt und ihn an die Rückseite genagelt.
    Er hatte Pater Barreda, einen der Pfarrer, bedroht, der an einem Infarkt starb, bevor Benet ihm etwas antun konnte.
    Er hatte versucht, durch den Notausgang der Kathedrale zu fliehen (einen Tunnel, den die ursprünglichen Architekten unter dem Eindruck des Krieges entworfen hatten), über den man unweit der Dünen nach draußen gelangt.
    Während das Wachpersonal und die Verstärkung versucht hatten, in

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