Der Spion und der Analytiker
dies eben mein Handwerk ist.«
Eine angenehme Frauenstimme rief Guthrie über Lautsprecher auf. Er erhob sich.
»Entschuldigen Sie mich, jetzt bin ich dran. Bis später.«
»Einen Augenblick noch, Doktor«, sagte Ogden, während er sich ebenfalls erhob. »Wußten Sie, daß Alma Lasko wenige Tage, nachdem sie Wien verlassen hatte, bei Dr. Mayer war?«
Guthrie blickte ihn überrascht an.
»Das wußte ich nicht. Sind Sie sicher?«
»Natürlich. Um es genau zu sagen, am 10. April.«
»Gut«, sagte Guthrie mit einem müden Lächeln. »Ich sehe, daß Sie doch noch etwas unter Ihrem Hut hervorzaubern; wenn Sie mich überraschen wollten, ist es Ihnen gelungen, aber leider kann uns der arme Mayer auch nicht mehr helfen. Ich muß jetzt gehen. Ich hoffe, daß Sie nicht noch mehr Dinge entdecken und mir zum Beispiel in ein paar Tagen offenbaren, daß ich der Sohn eines Schlangenbeschwörers bin.«
Guthrie ging. Ogden sah ihm verblüfft nach, bis er im Saal verschwunden war.
»So originell wie die sind, hätten sie einen Kongreß über die Madonna wahrscheinlich in Lourdes veranstaltet.«
Ogden lächelte über seine geistreiche Bemerkung und ließ seine Blicke durch den Speisesaal des Ofenlochs streifen. Guthrie erwiderte nichts darauf, sondern sah ihn nur an. Im Grunde mißfiel ihm dieser Mann nicht. Das ist meine Schwäche, sagte er sich, mich könnte sogar ein Mörder faszinieren, wenn er nur intelligent wäre. Und ist der Mann, mit dem ich beim Abendessen sitze, vielleicht kein Mörder?
»Hat meine Bemerkung Sie verärgert, Doktor? Dieser Gedanke kam mir heute nachmittag, auf dem Kongreß. Ihr Vortrag war sehr interessant, aber von dem Gequatsche Ihrer Kollegen läßt sich das wirklich nicht behaupten, zumindest von dem, was die beiden nach Ihnen gesagt haben.«
»Die psychoanalytischen Kreise sind Ihnen wohl nicht sympathisch …« Guthrie schlug die Speisekarte auf, die der Kellner in diesem Augenblick gebracht hatte.
»Menschen mit schwacher Intelligenz sind mir nie sympathisch.«
Guthrie fühlte sich irgendwie unbehaglich.
»Sie sind allzu streng. Die Kollegen, die Sie wohl meinen, sind hochgeschätzte Spezialisten. Vermutlich haben die gegenwärtigen Schwierigkeiten und das Kongreßthema sie befangen gemacht …«
»Aber Sie sind doch auch nicht befangen …«, fiel ihm Ogden ins Wort, während er den Kellner herbeiwinkte. »Ich empfehle Ihnen den Hasenbraten, der ist hier ausgezeichnet. Heurigen?«
Guthrie nickte.
»Sie haben eine sehr freundliche Einstellung gegenüber Ihren Kollegen«, fuhr Ogden fort. »Ich bin überzeugt, daß dies eine Ihrer Charaktereigenschaften ist. Im übrigen haben Sie sich ja auch Mayer gegenüber bis zuletzt loyal verhalten …«
Guthrie zuckte die Achseln.
»Das Leben hält merkwürdige Überraschungen bereit, vor allem, wenn man überzeugt ist, daß nichts mehr geschieht. Wahrscheinlich haben Sie mir das Leben gerettet, oder vielleicht auch nicht, woher soll man das wissen? Ich lese ja auch Spionageromane. Vielleicht haben Sie und Ihre beiden Komplizen, diese zwei Kerle gestern abend, den ganzen Zwischenfall nur inszeniert, um mich in die Sache hineinzuziehen.«
Ogden schüttelte den Kopf.
»So etwas kommt öfter vor, aber diesmal ist es nicht der Fall. Die beiden Killer, die Sie überfallen haben, gehörten nicht zum Dienst, so leicht bringen wir uns nicht gegenseitig um. Sie haben mich gebeten, Ihnen alles zu sagen, was ich weiß, und Sie werden alles erfahren, was ich Ihnen dazu sagen kann. Wir sind hier in Wien, um Alma Lasko aufzufinden, die Ehefrau eines Pharmaherstellers, die sofort verschwand, nachdem sie erfahren hatte, daß sie Witwe ist. Das einzige, was wir seither von ihr wissen, ist, daß sie Mayer aufgesucht hat.«
»Wahrscheinlich hat der Tod ihres Mannes sie ganz verstört«, sagte Guthrie.
»Ihr Brief läßt nicht darauf schließen …«
»Was wissen Sie über diesen Brief?«
»Wissen Sie, ein Safe ist nicht gerade ein besonders gutes Versteck. Ich mußte einfach herausbekommen, was in diesem Brief steht, das Leben Ihrer Patientin hängt davon ab, wieviel Zeit wir brauchen, um sie aufzuspüren. Glauben Sie mir das bitte.«
»Jetzt hören Sie mal zu«, sagte Guthrie und sah ihn fest an, »erklären Sie mir endlich, was hier gespielt wird, sonst stehe ich sofort auf und gehe zur Polizei.«
Ogden versuchte einzulenken.
»Ich habe gar nicht die Absicht, etwas vor Ihnen zu verheimlichen, wir brauchen Sie, falls Sie bereit sind,
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