Der Spion und die Lady
hinfällig und verletzlich aus. Er versuchte nicht, seine Gefühle zu definieren. Er wußte nur, daß er bereit war, alles hinzugeben, wenn das ihren Schmerz linderte.
In dem Bedürfnis, seiner Zärtlichkeit unbedingt Ausdruck zu verleihen, strich er ihr so sanft über die Haare, daß sie es gar nicht bemerkte. Dann zwang er sich zum Verlassen des Zimmers.
Draußen auf dem Flur wartete die Herzogin auf ihn. »Was ist geschehen?« fragte sie jetzt leise.
Seufzend fuhr er sich mit beiden Händen durch die Haare. »Offenbar hat Maxies Vater seinem Leben selbst ein Ende bereitet.«
»O mein Gott.« Margots Gesicht erbleichte. Da sie ihren geliebten Vater unter tragischen Umständen verloren hatte, konnte sie Maxies Schmerz gut verstehen.
»Ich wünschte, ich könnte irgend etwas tun.«
Robins Lippen verzogen sich. »Aber sie will nur allein gelassen werden.«
»Gib ihr die Zeit, den Schock zu überwinden«, riet Margot. »Trauer ist eine sehr einsame Sache.
Manchmal muß man tief in sich gehen, bevor man den Trost anderer annehmen kann.«
»Ich bin sicher, daß du recht hast.« Er versuchte zu lächeln. »Aber es fällt mir nicht leicht, sie in diesem Zustand zu sehen.«
»Liebe tut weh, Robin.« Und in dem Bemühen, ihm seine Situation mit einem Scherz zu erleichtern, fügte sie hinzu: »Hunger auch, und ich habe neuerdings häufig Appetit. Komm, trink eine Tasse Tee mit mir.« Sie nahm seinen Arm und führte ihn entschlossen ins Morgenzimmer.
Tee war nicht viel, aber besser als gar nichts.
Kapitel 28
NAHEZU SCHWEIGEND TRANKEN sie ihren Tee, als der Butler eintrat und Margot eine Visitenkarte überreichte. Sie runzelte die Stirn. »Lord Collingwood ist hier.«
»Könnten wir ihn gemeinsam empfangen?« fragte Robin. »Ich habe ein großes Interesse an allem, was er zu sagen hat.«
»Selbstverständlich.«
Der Butler verließ den Raum und kehrte wenige Minuten später mit dem Besucher zurück. Lord Collingwoood war ein hochgewachsener Mann mit einen schmalen, erschöpften Gesicht. »Verzeihen Sie mein Eindringen, Herzogin«, sagte er, nachdem er sich vor Margot verbeugt hatte, »aber ich habe Anlaß zu der Annahme, daß sich meine Nichte Miss Maxima Collins in Ihrem Haus aufhält.
Ich würde sie gern sehen.«
»Sie ist hier«, gab Margot zu, »aber sie fühlt sich nicht wohl und empfängt keine Besucher. Möchten Sie ihr vielleicht eine Nachricht hinterlassen?«
Während Collingwood zögerte, fiel sein Blick auf Robin, der sich unauffällig auf eine Seite des Raums zurückgezogen hatte. Er zog die Augen zusammen. »Meine Nichte reiste mit einem Mann, dessen Beschreibung auf Sie zutrifft.«
Robin neigte den Kopf. »Ich bin Lord Robert Andreville.«
»Wolverhamptons Bruder?«
»Derselbe.«
Collingwood schüttelte ungläubig den Kopf. »Und ich habe mir Sorgen gemacht, daß das Mädchen von irgendeinem Schurken entführt worden ist.«
»Adlige Herkunft ist kein Beweis gegen Schurkerei«, bemerkte Robin trocken. »Meine Absichten im Hinblick auf Miss Collins waren jedoch durchaus ehrenhaft. Wir sind uns zufällig begegnet. Und da mir die Gefahren bewußt waren, denen sie sich unterziehen wollte, bot ich ihr meine Begleitung an, damit sie London wohlbehalten erreicht.« Während er sprach, musterte er Collingwood. Bei genauerem Hinsehen konnte man eine schwache Ähnlichkeit mit seiner Schwester entdecken, obwohl er ein seriöserer, konventionellerer Mensch als Lady ROSS zu sein schien. Er wirkte wie der perfekte englische Gentleman und keineswegs so, als wäre ihm zuzutrauen, einen unbequemen Bruder zu ermorden. Kein Wunder, daß Maxie nicht glauben wollte, daß er zu so etwas fähig sein könnte.
»Auf jeden Fall haben Sie meine Nichte vor dem Erkunder aus der Bow Street geschützt, den ich ihr nachgeschickt hatte«, entgegnete Collingwood mit einem Hauch Belustigung in der Stimme.
»Großer Gott, Simmons ist ein Erkunder?« Nach einem Moment der Verblüffung mußte Robin lachen. »Das hätte ich vermuten müssen. Maxie und ich hielten ihn für einen Ganoven.«
»Erkunder und die von ihnen verfolgten Verbrecher ähneln einander häufig«, stimmte Collingwood zu. »Aber Ned Simmons ist einer der Besten aus der Bow Street. Ich hatte ihn damit beauftragt, Nachforschungen nach dem Tod meines Bruders anzustellen und die Angelegenheit so diskret wie möglich zu behandeln. Abgesehen von einem möglichen Skandal wollte ich verhindern, daß Max die Bestattung in geweihter Erde verwehrt wird. Zufällig hielt
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