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Der Spitzenkandidat - Roman

Der Spitzenkandidat - Roman

Titel: Der Spitzenkandidat - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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Spur, sie steuerte die nächste Parkbucht an, um sich zu fangen.
    Ihr Herz raste, die Hände waren nass. Vor nicht einmal 24 Stunden hatte sie mit Stein im Hotel Maritim gesessen und über ihre gemeinsame politische Zukunft gesprochen. Sie stellte das Radio ab, vergrub den Kopf in den Händen. Das durfte nicht sein, die Hoffnung der Partei tot, brutal umgebracht. Uwe war so energisch gewesen, voller Leben und Tatendrang, so zuversichtlich. Er hatte so viel vorgehabt, mit der Partei und dem Land. Die Partei stand hinter ihm, ganz Deutschland verfolgte seinen Wahlkampf. Das hatte es lange nicht gegeben, und weil Uwe unverbraucht war und nicht auf den Schultern der Ortsvereine saß, konnte er ohne Rücksichtnahme entscheiden. Er hatte Marion einen der wichtigsten Staatssekretärsposten angeboten, den die Regierung zu vergeben hatte. Er mochte und schätzte sie. Er hatte ihren Weg verfolgt und ihre Qualitäten erkannt. Lächelnd hatte er seine politische Zukunft mit Marions verknüpft, und nun war er tot, und sie konnte ihre politische Karriere vergessen. Wer immer sein Nachfolger werden würde, er wäre kein Freund von Uwe Stein, denn Uwe hatte in den Gremien nicht viele Freunde besessen. Sein Aufstieg war nur möglich gewesen, weil die Gremien nicht frisch und visionär waren. Er hatte die Gremien überholt und seine Karriere an ihnen vorbei gebastelt. Ohne ihn würde es schwer für sie werden.
    Marion schämte sich. Ein Freund war erschlagen worden und sie hatte nichts Besseres zu tun, als sich um ihre politische Zukunft zu sorgen. Das war egoistisch und schäbig, aber so dachte sie in den ersten Minuten nach dem Schock. Sie griff nach Handtasche und Handy. Erst ließ sie das Handy fallen, dann war die Nummer der Landtagsfraktion besetzt. Natürlich, was sonst? Parteizentrale – besetzt. Sie rief zwei Kollegen an – besetzt. Das Besetztzeichen machte sie rasend.

16
    Gegen 12 Uhr 30 betrat Marion den Landtag. Der Pförtner, sonst eine lärmende Frohnatur, trug Trauermiene. Auf dem Weg in die Fraktionsräume traf sie einen Kollegen von der Opposition, eine flüchtige Bekanntschaft, einen der Scharfmacher, die für verbalen Unrat im Parlament zuständig waren. Er schnitt Marion den Weg ab und reichte ihr die Hand.
    „Mein aufrichtig empfundenes Beileid, Frau Klaßen. Eine schreckliche Sache, unfassbar. Mir fehlen die Worte. Er war unser politischer Gegner, aber das spielt jetzt keine Rolle. Wir sind genauso geschockt wie Sie.“ Mit einem knappen Dank eilte sie davon. Ihr war nicht nach heuchlerischen Beileidsbekundungen.
    Im Sitzungssaal der Fraktion standen alle in kleinen Gruppen zusammen und redeten aufeinander ein. Einige Frauen hatten verweinte Augen, auch Frau Peters, die sofort auf Marion zukam. In Marion verkrampfte sich alles, aber sie ließ die Umarmung über sich ergehen. Beide Frauen standen auf Kriegsfuß, die letzte Attacke der Chefin der Frauenorganisation lag erst wenige Tage zurück. Damals hatte sie Marion mangelnde Solidarität mit der Sache der Frauen vorgeworfen, angeblich würde Marion sich bei den Männern in der Partei anbiedern. Das Ganze hatte in der Anschuldigung gegipfelt, dass Frauen wie Marion die eigentliche Wurzel des Übels seien. Sie seien schuld daran, dass es mit der Gleichberechtigung so langsam vorangehe und die Quote in Deutschland noch immer in weiter Ferne sei. Marion entzog sich der Umarmung, die Peters schniefte. Ein Kollege aus dem Kulturausschuss war als Nächster dran.
    „Dich trifft es vermutlich am härtesten von uns“, murmelte er. „Du und Uwe, ihr wart doch befreundet.“
    Die Peters starrte Marion an.
    „Das stimmt“, sagte Marion, „wir waren noch gestern zusammen essen.“ Erneutes Schniefen der Peters, ihr Blick jetzt vorwurfsvoll. Die Peters beanspruchte für sich ein Exklusivrecht, wenn es um Gespräche weiblicher Abgeordneter mit Spitzenpolitikern ging.
    Marion ließ sie stehen, horchte sich unter ihren Kollegen um, wollte handfeste Informationen, aber alle waren momentan auf Vermutungen angewiesen. So gab es freie Bahn für mehr oder weniger naheliegende Theorien: jugendliche Schläger oder ein Verrückter? Niemand vermutete politische Motive. Auch Marion nicht. Man wartete auf Bitter, er saß noch beim Innenminister.
    Alle bedauerten den Verlust, den die Partei erlitten hatte. Eben noch dabei, durchzustarten und nun war alles vorbei. Die Peters meldete sich lautstark zu Wort, behauptete, von Uwe praktisch die Zusage für ein künftiges

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