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Der Spitzenkandidat - Roman

Der Spitzenkandidat - Roman

Titel: Der Spitzenkandidat - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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die Wahl, dieses Vermächtnis in den Schmutz zu treten oder uns würdig zu erweisen. Jetzt erst recht!, rufe ich euch zu. Keine Verschiebung der Wahl. Vier Wochen kämpfen, siegen und gestalten. Wie Uwe es gewollt hat.“
    Das war genial, Uwe hätte es nicht besser machen können, beglückwünschte Marion den Vorsitzenden im Stillen. Ein Abgeordneter stand auf, zögernd noch. Und zögernd begann er zu klatschen. Er blieb nicht lange allein, einer nach dem anderen schoss in die Höhe. Am Ende standen alle und applaudierten und einer rief Uwe Steins Namen, den alle klatschend skandierten.

17
    Ralf Hübner hatte einen Termin für acht Uhr. Jetzt war es zehn und bis auf die Blutabnahme war nichts passiert. Die Patienten waren gereizt, die Arzthelferinnen pampig. Lautsprecherdurchsagen mit dem Aufruf des nächsten Patienten fanden nur zur halben und vollen Stunde statt. Warum dauerte das so lange? Was trieben die im Behandlungszimmer bloß? Bei Hübner ging es, hatte er es erst einmal über die Schwelle geschafft, immer zack, zack. Knappe Frage, frühes Unterbrechen, Rezeptblock, der Nächste bitte.
    Hübner war nervös. „Ihre Brille müsste sauber sein, so oft wie Sie sie in der letzten Stunde geputzt haben.“
    Die Frau gegenüber suchte wohl Kontakt, bei Hübner fand sie ihn nicht. Er wollte kein Gespräch führen, sondern endlich drankommen und dann ins Büro fahren. Ohne seine drängelnde Frau wäre er gar nicht hier. Mit Schmerzen in der Brust sei nicht zu spaßen. Warnsignal, Gefäßverschluss, Herzinfarkt, sie bezog ihr Wissen über Krankheiten aus Illustrierten und der Fernsehzeitung und ängstigte sich mehr als ihr Mann.
    Jetzt saß er hier, Brille putzend, Füße auf und ab wippend, Arschbacke wechselnd, und in der Firma ging es drunter und drüber. Gestern war erstmals durchgesickert, was er schon länger wusste: Die feindliche Übernahme durch die Deutsche Antriebstechnik würde bei der Wahl Uwe Steins nicht mehr von der Landesregierung blockiert werden. Das „Wirtschaftsblatt“ hatte angeblich gut informierte Kreise im Umfeld der Deutschen Antriebstechnik zitiert, die wiederum angeblich genau wussten, wie Uwe Stein dachte: Notwendige Umstrukturierungen auf dem deutschen Markt für Automobilelektronik und Zulieferindustrie seien nicht aufzuhalten, die weitere Konservierung veralteter Strukturen sei mit ihm nicht zu machen. Mit den Chinesen sei nicht zu spaßen, die hätten ihre Startlöcher längst verlassen, um die Deutschen als Exportweltmeister zu verdrängen. Mit Klein-Klein und Länderegoismen komme man nicht weiter. Synergieeffekte mobilisieren, Kräfte bündeln, kurzum: Fusionieren sei das Gebot der Stunde.
    In der Firma war der Teufel los, der Flurfunk arbeitete seither auf Hochtouren, und Hübner saß im viel zu warmen Wartezimmer, weil er seiner Frau heute Abend Antworten geben musste. Links putzte sich einer gründlich die Nase und führte sein versifftes Stofftaschentuch vor. Hübner rückte weg, bloß keine Erkältung jetzt. Für das, was vor ihm lag, musste er fit sein.
    Endlich saß er dem Doktor gegenüber, abgespannt sah der aus, erschöpft, urlaubsreif. Hübner spielte seinen Zustand herunter; der Arzt mochte schlaff sein, aber dumm war er nicht. Ab in den Keller zum Belastungs-EKG. Warten, mit der jungen Arzthelferin schäkern, zehn Minuten in die Pedale treten, schwitzen, stolpernder Herzschlag. Nach sieben Minuten kapitulierte er. Erneutes Warten. Der Doktor war inzwischen noch urlaubsreifer geworden.
    „Sieht nicht gut aus, Herr Hübner. Wir müssen einen Katheter legen und schauen, was da los ist. Vermutlich ein blockiertes Gefäß. Wie ich das sehe, brauchen Sie einen Bypass, vielleicht auch zwei oder drei. Ich werde Sie in die Medizinische Hochschule überweisen. Ist nur Routine. Wenn Sie Glück haben, bekommen die das auch mit Stents hin.“
    Es war Mittag, als Hübner die Praxis verließ. In der Brusttasche steckten der Überweisungsschein und eine Telefonnummer, der Doktor hatte ihn gemahnt, die Sache nicht auf die lange Bank zu schieben. Der Mann kannte seine Pappenheimer.
    Hübner rechnete: Operation mit Krankenhausaufenthalt: eine Woche plus anschließende Reha: drei Wochen, vielleicht sogar vier. Fünf verlorene Wochen und das auch nur, wenn alles ohne Komplikationen verlief. Und das schien, wollte man dem Doktor glauben, in seinem Fall keinesfalls sicher zu sein. Wenn er in dieser Phase ausfiel, konnte er den süddeutschen Haifischen die Tawes AG auf dem goldenen Tablett

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