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Der Spitzenkandidat - Roman

Der Spitzenkandidat - Roman

Titel: Der Spitzenkandidat - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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misshandeln lassen.“ Das klang vorwurfsvoller als es sollte. Die Witwe reagierte mit Schweigen, das Schweigen sagte mehr als jede Antwort es zu tun vermocht hätte.
    Dann fing die Witwe doch an zu sprechen, über eine andere Angst. Vor einigen Wochen hatte Uwe begonnen, seine Tochter anders zu behandeln. Seit der Geburt war sie sein kleiner Liebling gewesen, plötzlich hatte er alles Mögliche an ihr auszusetzen. Er hatte sie sogar geschlagen, vor drei Wochen zum ersten Mal.
    „Das war der Tag, an dem ich beschloss, ihn umzubringen. Vorher nicht, da ging es gegen mich. Das war furchtbar, aber es ging nur gegen mich, nicht gegen Katharina. Sie war in Sicherheit, weil er sich an mir abreagieren konnte. Plötzlich war es anders geworden. Ich durfte nicht riskieren, dass Katharina leidet. Ich hatte mich an seine Schläge gewöhnt, aber meine Tochter … Das konnte ich nicht zulassen.“
    „Wenn Sie sich früher gewehrt hätten, wäre es gar nicht so weit gekommen.“
    Frau Stein sah Verena an, dass diese Feststellung nicht vorwurfsvoll gemeint war und keinen besserwisserischen Beiklang enthielt. Die Kriminalrätin suchte einen Weg, um zu verstehen. Auch sich selbst, denn sie hatte sich genauso täuschen lassen wie alle anderen. Der strahlende Politiker Uwe Stein erwies sich als Schläger. Natürlich waren für dieses unheilvolle Spiel zwei Menschen nötig: der Schläger und sein Opfer. Aber es war das Opfer gewesen, das sich Gedanken über den Täter gemacht hatte. Der Täter hatte immer wieder Besserung gelobt und dann doch wieder zugeschlagen, und in all der Zeit hatte er nach außen hin perfekt funktioniert.
    Verena sagte: „Die Leiterin des Frauenhauses hat sich bei uns gemeldet. Sie hat Ihre Aussage bestätigt. Von ihr wissen wir, dass Sie damals schwere Verletzungen hatten. Sie bestreiten also nicht, dass Sie versucht haben, Ihren Mann zu vergiften.“
    „Nein. Ich bestreite nichts.“
    „Sie sollten sich einen Anwalt nehmen, einen Strafverteidiger.“
    „Hackmann wird sich darum kümmern.“
    „Bei Hackmann sind Sie in guten Händen. Er ist zwar Fachanwalt für Steuerrecht, aber er wird Ihnen einen guten Strafverteidiger besorgen. Ich habe ihn übrigens vor dem Haus getroffen, er erzählte mir von einem Schriftstück.“ Verena zeigte auf den Umschlag. „Es scheint ja so, als ob Ihr Mann etwas geahnt hat. Weshalb sonst sollte ein gesunder Mann von Anfang vierzig so handeln?“
    Schlagartig wurde die Witwe nervös. Sie bewegte sich unruhig und knetete ihre Finger.
    Verena spürte Krämpfe im Bauch. Der Durchfall meldete sich zurück.
    Als sie einige Minuten später von der Gästetoilette zurückkehrte, stand Frau Stein am Fenster, der Umschlag war verschwunden. Sie bot Verena etwas zu trinken an, erkundigte sich nach ihrem Befinden. Sie sähe blass und angegriffen aus. Verena war froh, sich hinsetzen zu können.
    „Wollen Sie mir nicht sagen, um was es in dem Brief geht? Vielleicht entlastet der Inhalt Sie ja, Frau Stein. Sie sollten jetzt alles nutzen, was das Verständnis für Ihre Lage erhöht.“
    „Eine rein private Angelegenheit. Es hat nichts mit dem … dem Mord zu tun. Auch nicht mit dem Arsen.“
    „Lassen Sie mich das entscheiden. Ich werde den Inhalt diskret behandeln, das sage ich Ihnen zu.“
    „Ich möchte trotzdem nicht, dass Sie ihn lesen. Glauben Sie mir, der Brief ist rein privat, er betrifft nur Uwe und mich.“ Und dann zögernd: „Werde ich jetzt festgenommen?“
    „Nein, in Ihrem Fall besteht keine Fluchtgefahr. Es reicht, wenn Sie sich morgen stellen. Sprechen Sie vorher mit Ihrem Anwalt. Bringen Sie Ihre Tochter unter. Wo ist sie denn jetzt?“
    „Bei einer Freundin, sie wird jeden Moment zurückkommen. – Womit muss ich rechnen?“
    „Sie haben zwei Trümpfe: die Fotos und die Aussage von Frau Sänger. Die Strafe dürfte glimpflich ausfallen. Aber das sollen der Staatsanwalt und Ihr Anwalt untereinander ausmachen.“
    „Sie meinen, es wird gar nicht zu einer Anklage kommen?“
    „Das kann ich nicht abschätzen. Es hängt davon ab, wie der Staatsanwalt gestrickt ist und wie die beiden miteinander klarkommen. Selbst die Tagesform des Staatsanwaltes kann eine Rolle spielen. Es handelt sich um Menschen, deshalb kann es sehr menschlich zugehen. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass die Staatsanwaltschaft gegen Zahlung eines Bußgeldes auf eine Anklage verzichtet. Aber das sage ich unter allem Vorbehalt. Es kann so oder so ausgehen.“
    Auf dem Weg zur Haustür

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