Der Stachel des Skorpions
helfen zu wollen. Er hatte sie nicht des Hauses verwiesen und war weiter gesprächsbereit. Wenn es nur irgendetwas gegeben hätte, was sie ihm anbieten könnte...
Dann kam ihr blitzartig die Erleuchtung, das Geschenk, das Bürokraten jeder Couleur am höchsten schätzten: Die Möglichkeit, sich aus der Verantwortung zu stehlen...
»Monsieur Confrere, ich weiß Ihre Diskretion im Interesse der Kunden dieses Hauses zu schätzen, ja, ich beglückwünsche Sie sogar dafür, erst recht, da ich hier ebenfalls Kundin bin. Ich kann Ihnen versichern, dass die Aktivitäten, die ich untersuche, von allerhöchster krimineller Natur sind. Ich weiß, ich kann Sie mit den Informationen, die mir darüber zurzeit zur Verfügung stehen, nicht überzeugen. Aber lassen Sie mich Ihnen einen Vorschlag machen: Gestatten Sie mir, die Daten einzusehen, die ich benötige. Lassen Sie mich suchen, was ich brauche, und Sie - ebenso wie Ihre Bank - werden am Ende dieser Untersuchung als Helden dastehen.«
Der Banker setzte zu einer Entgegnung an, Heather hob jedoch die Hand. »Einen Augenblick. Ne hm en wir an, ich irre mich. Nehmen wir an, Sie gestatten mir den Zugriff, und er führt ins Leere, unsere Untersuchung erweist sich als Zeitverschwendung. Dann, mein Freund, geben Sie alle Schuld mir. Sagen Sie, eine Paladinin sei in Ihre Bank gekommen und habe Behauptungen aufgestellt, die glaubhaft klangen, sich aber im Nachhinein als falsch herausstellten. Sie haben keinen Fehler begangen, indem Sie Ihre Konten geöffnet haben. Der Fehler lag allein bei mir, die ich Ihren Patriotismus ausgenutzt habe, um mir den Zugang dazu zu verschaffen. Wie klingt das?«
Der Banker schmunzelte leicht, was für ihn vermutlich das Äquivalent eines lauten Herauslachens darstellte. »Das klingt annehmbar. Sie verstehen natürlich, dass Ihr Zugriff auf die Kontendaten streng eingeschränkt ist und Sie diese Untersuchung nur hier im Hause durchführen dürfen?«
Sie schenkte ihm ein Lächeln, das in keinster Weise ihren wahren Gefühlen entsprach. »Selbstverständlich.«
»Dann folgen Sie mir bitte.«
Das Ganze erwies sich als eine einfache Geschichte. Entmutigend einfach.
Es war recht schwierig gewesen, den Weg der Gelder nachzuvollziehen. Er zog sich durch Scheinfirmen, Holdings und ein, zwei Privatkonten von Personen, die vermutlich gar nicht existierten. Doch Heather blieb am Ball und unterhielt einen konstanten Austausch von Daten mit ihrem Büro - während sie gleichzeitig sämtliche Mitteilungen ignorierte, die von Duncan eintrafen -, bis sie den dichten Finanznebel durchstoßen hatte, der die Transaktionen umgab. Schließlich war es so weit, und die ganze Geschichte lag ausgebreitet vor ihr.
In Genf wurde ein neues Bürohochhaus errichtet. Der Bauherr war ein früherer Berater Gouverneur David Gulianis. Dieser frühere Berater erhielt eine beträchtliche staatliche Subvention für die Hilfe bei der Entwicklung der Genfer Innenstadt. Im Gegenzug machte er zwei Spenden. Eine davon ging direkt an das Guliani-Museum und Besucherzentrum. Die andere war etwas komplexer gestrickt.
Nachdem es als eine Reihe von Zahlungen an nichtexistente Firmen verschleiert worden war, endete das Geld im Besitz eines Ritters der Sphäre. Dort blieb es jedoch nicht lange. Ein paar weitere Überweisungen einschließlich eines kurzen Aufenthalts auf dem noch aktiven Konto eines Herrn, der bereits 3103 gestorben war, bewegten es auf ein Konto einer Reinigung namens Tres Vite. Die letzte Überweisung hatte am Tag des Aufruhrs am Plateau de St. Georges stattgefunden, und zwar über eine Maschine in der Zweigstelle genau dort. Der Zweigstelle, an der die Überwachungskamera Henrik Morten aufgezeichnet hatte.
Heather kannte Tres Vite, und nicht etwa als regelmäßige Kundin. Der Name war ihr in dieser Woche schon früher begegnet. Die für die Firma angegebene Adresse stand leer, es sah ganz danach aus, dass Tres Vite nur auf dem Papier existierte. Die als Vorstand der Firma aufgeführten Personen gab es nicht.
Die Genfer Polizei hatte reichlich Beschwerden über illegale Aktivitäten an der betreffenden Adresse erhalten, hatte allerdings nie etwas gefunden, was sie als Handhabe hätte benutzen können. Mehrere dieser Beschwerden identifizierten jedoch bestimmte Personen, die das leer stehende Geschäft betreten hatten. Personen von besonderem Interesse für Heather GioAvanti. Diese Berichte waren auf ihrem Schreibtisch gelandet.
Seit Otto Mandela auf den Bildern vom Plateau de
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