Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Stalker

Der Stalker

Titel: Der Stalker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
Vom Netzwerk:
Farrell lehnte sich in seinem Stuhl zurück, die Beine lang ausgestreckt, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Er war klein gewachsen, dick und glatzköpfig. Sein Anzug sah aus, als hätte man ihn mit Gewalt hineingepresst. Die oberen Knöpfe seines Hemds waren geöffnet, die Krawatte hing schief. Seine Füße steckten in ausgetretenen Schuhen. Aus seinen Worten, die das polizeiübliche Maß an Kaltschnäuzigkeit enthielten, hörte Phil echte Besorgnis heraus. Zumindest hoffte er, dass es das war, was er hörte.
    »Sie hat gesagt, Sie würden sie nicht auf dem Laufenden halten.«
    Farrell sah Phil mit zusammengekniffenen Augen an. »Die Angehörigenbetreuerin ist ihr nicht gut genug, oder was?«
    Phil hob abwehrend die Hände. »Ich gebe nur wieder, was sie gesagt hat. Sie macht sich Sorgen und will wissen, was Sie bis jetzt erreicht haben.«
    Farrell grunzte. »Nichts. Das ist es, was wir erreicht haben. Ihre Tochter hat vor zwei Wochen die Biege gemacht, und wir haben uns die Hacken abgelaufen, um sie zu finden. Haben alle durchleuchtet. Kerle, Exkerle, Kollegen, Verwandtschaft, die ganze Palette.« Er zählte das, was er geleistet – beziehungsweise nicht geleistet – hatte, an den Fingern ab. »Haben das Übliche versucht: Fernsehen, Zeitung, Internet, Radio. Nationaler Vermisstennotruf. Nada. Mäuschen hat nicht ein Mal Piep gemacht.«
    »Es gab keine Hinweise auf eine Entführung?«
    »Klar, dann muss es aber Derren Brown gewesen sein.«
    »Verstehe.«
    »Aber mal ganz unter uns.« Farrell nahm seine Hände nach vorn und beugte sich vor. »Typischer Ausreißerfall. Sie ist von zu Hause abgehauen. War ja nicht das erste Mal.«
    »Was war nicht das erste Mal?«
    »Dass sie einfach so verschwindet. Sie jobbt in irgend so einem Pub in New Town an der Bar. In Teilzeit. Und sie gilt als ziemlich … leichtlebig. Verstehen Sie, was ich meine?«
    Phil runzelte die Stirn. »Nicht ganz. Ist sie eine Prostituierte?«
    Farrell zuckte die Achseln. »Nur im Nebenjob. Ist schon öfter mit irgendeinem Typen abgezogen und tagelang nicht wieder aufgetaucht. Die Mutter sagt, sie hätte sich geändert, weil sie jetzt ein Kind hat, aber … Die Katze lässt das Mausen nicht, das ist meine Erfahrung.«
    »Im Klartext heißt das«, unterbrach ihn Phil, »dass der Fall für Sie keine Priorität hat.«
    Ein weiteres Achselzucken. »Sie wissen doch, wie das ist. Wenn sie nicht gefunden werden will, dann will sie eben nicht gefunden werden. Früher oder später kommt sie schon wieder nach Hause.« Er lehnte sich zurück. »Spätestens wenn der Typ blank ist.«
    Die Gleichgültigkeit seines Kollegen ärgerte Phil, allerdings hatte er selbst genug Vermisstenfälle erlebt, die nie abgeschlossen wurden, sondern einfach im Sande verlaufen waren. Trotzdem – das war keine Entschuldigung für Farrells Einstellung.
    »Dann glauben Sie also, dass zwischen der vermissten Adele Harrison und der Leiche, die wir heute Morgen am Hythe gefunden haben, keinerlei Verbindung besteht?«
    Farrell lehnte sich wieder vor. »Das ist doch nicht meine Vermisste, oder?«
    »Wir denken, es könnte sich um Julie Miller handeln, die Frau, die letzte Woche verschwunden ist.«
    Farrell entspannte sich wieder. »Na bitte. Völlig andere Kiste.«
    »Glauben Sie nicht, dass es einen Zusammenhang geben könnte? Zwei junge Frauen, die beide im Abstand von wenigen Tagen spurlos verschwinden?«
    »Was, zwischen dieser reichen Tussi, die ständig in den Nachrichten ist, und meinem Fall? Ich glaub’s kaum.«
    Phil seufzte. »Ihre Mutter ist unten. Gehen Sie runter und reden Sie mit ihr.«
    Farrell sah so aus, als wolle er widersprechen, überlegte es sich dann jedoch anders. »Sie sind gerade Vater geworden, stimmt’s?«
    »Eine Tochter.«
    Farrell nickte, als würde das alles erklären. »Verstehe.« Er legte die Hände auf die Schreibtischplatte. »Also gut, ich gehe runter. Sag ihr noch mal, dass ihre Tochter, die Gelegenheitsnutte, mit einem Freier abgehauen ist und nach Hause kommen wird, sobald er die Schnauze von ihr voll hat.« Er sah zu Phil, bemerkte, wie dieser ihn ansah. »Natürlich nicht in exakt diesen Worten.«
    »Danke.«
    »Keine Ursache.« Farrell bewegte sich nicht von seinem Platz. »Dann zieht sie vielleicht ab und lässt uns endlich in Frieden.«
    Als Phil ging, dachte er nur, wie froh er war, Farrell nicht in seinem Team zu haben.
    Und Frieden war das Letzte, was er ihm wünschte.
    Phil versuchte, die Zeit, die er für den Weg zu seinem

Weitere Kostenlose Bücher