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Der Stalker

Der Stalker

Titel: Der Stalker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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Kaffee, sondern Tee. Etwas Wärmendes, Tröstendes. Tee entspannte und weckte Erinnerungen an die Kindheit, gab einem das Gefühl, man säße zusammengekuschelt in einem Sessel, warm und geborgen. Und wenn man dazu noch ein paar Schokoladenkekse hatte, umso besser.
    Zoe fischte die Kekspackung aus der Segeltuchtasche, die sie von zu Hause mitgebracht hatte. Als sie heimgefahren war, um ein paar Sachen zum Wechseln zu holen, hatte sie noch kurz einen Abstecher zu Sainsbury’s gemacht und eingekauft, damit sie am Abend gemeinsam kochen konnten. Das würde Suzanne hoffentlich auf andere Gedanken bringen.
    Zoe legte die Lebensmittel nebeneinander auf den Küchentresen. Beim Anblick der Kekspackung bekam sie prompt Hunger. Am liebsten hätte sie sie aufgerissen und sofort einen gegessen. Aber nein. Sie würde sie ins Wohnzimmer mitnehmen, sie vor Suzannes Augen öffnen und nur einen einzigen Keks essen. Vielleicht nur einen halben. Und dann würde sie dafür sorgen, dass Suzanne die Schachtel wegpackte – irgendwohin, wo Zoe sie nicht finden würde.
    Ihr Magen war eine gähnende Höhle. Aber das war ja nichts Neues.
    Sie liebte Essen. Liebte die Sinnlichkeit des Essens, das Gefühl der Speisen in ihrem Mund, ihren Duft, ihr Aroma, ihre Konsistenz. Die Art, wie ihr jeder Bissen die Speiseröhre hinab in den Magen rutschte. Der Akt, ihren Körper zu füllen, ihren Hunger und ihre Sehnsucht nach und nach zu stillen. Wunderbar. Nichts auf der Welt fühlte sich so gut an. Für Zoe war Essen wie Sex.
    Aber genau wie bei vielen von Zoes sexuellen Begegnungen fühlte sie sich danach immer mies. Schäbig und schmutzig. Sie hasste sich für das, was sie getan hatte. Wozu ihre Gelüste sie gezwungen hatten.
    So hatten ihre Schwierigkeiten angefangen.
    Sie war nie magersüchtig gewesen, und das war immerhin etwas, fand sie. Sie verstand ohnehin nicht, warum Leute absichtlich hungerten. Aber sich den Finger in den Hals zu stecken, um danach alles wieder auszuspucken – den Körper zu reinigen, damit er unschuldig und leer wurde –, das war absolut nachvollziehbar.
    Auf der Uni hatte sie ein Leben voller Lügen und Geheimnisse geführt. Eigentlich war sie zwei Menschen gewesen: einerseits die stets fröhliche, extrovertierte, manchmal sogar exhibitionistische Zoe, die sich nie über einen Mangel an Freundinnen oder Männern beklagen konnte. Und andererseits das von Selbsthass zerfressene, permanent über der Toilettenschüssel hängende Wrack, als das sie sich selbst wahrnahm.
    Gott sei Dank waren diese Zeiten nun vorbei. Das hatte sie ihren Freunden zu verdanken – vor allem Suzanne. Sie war für sie da gewesen, hatte ihr geholfen und Stärke gezeigt, wenn Zoe selbst nicht stark sein konnte. Sie hatte sie immer wieder aufgebaut und ihr klargemacht, dass sie nicht wertlos war. Suzanne hatte ihr Leben umgekrempelt.
    Und natürlich die Therapie. Auch das war Suzannes Idee gewesen, und Zoe konnte ihr gar nicht genug dafür danken. Zuerst hatte sie nicht hingehen wollen, aber inzwischen fand sie, dass es das Beste war, was sie je gemacht hatte. Es hatte ihr ein neues Leben und neues Selbstbewusstsein geschenkt.
    Und einen neuen Freund. Er sah nicht so gut aus wie die anderen davor, aber er liebte sie aufrichtig. Sie hatte von Anfang an das Gefühl gehabt, dass er anders war. Er war der Erste, zu dem sie wirklich Vertrauen hatte, also hatte sie ihm von ihren Problemen erzählt. Es hatte so unglaublich gutgetan, sich jemandem anzuvertrauen. Er hatte ihr gesagt, es sei ihm egal, wie dick oder dünn sie sei, er würde sie in jeder Kleidergröße lieben. Und das wiederum hatte in ihr ein ganz neues, unvergleichliches Gefühl von Wärme und Sattheit und Zufriedenheit ausgelöst. Endlich musste sich ihr Körper nicht mehr vollfressen, weil ihr Herz so hungrig war.
    Trotzdem. Die Kekse sahen echt lecker aus …
    Das Wasser kochte, und Zoe goss den Tee in zwei von Suzannes besten Bechern auf. Es war nur eine Äußerlichkeit, aber vielleicht heiterte es sie trotzdem ein bisschen auf.
    Dann öffnete sie die Kühlschranktür, um Milch herauszunehmen.
    Und erstarrte. Ihr Herz setzte einen Schlag aus.
    »Suzanne …«, sagte sie mit dünner Stimme. Ihr Herz klopfte, und nackte Angst durchschauerte sie. »Ich glaube … kannst du mal kurz kommen?«
    Schlampe.
    Diese verdammte Schlampe. Warum hatte sie es zuerst gefunden? Es war nicht für sie bestimmt gewesen. Sondern für Rani. Alles, was er tat, war für Rani. Die blonde Schlampe hatte ein

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