Der Stalker
treffen.
Die Tränen, die ihre Wangen hinabliefen, bemerkte sie nicht.
25 Im Büro des Reviers in Southway herrschte reger Betrieb, obwohl es bereits kurz vor Feierabend war. Milhouse saß vor seinem Rechner und forschte in den Tiefen der virtuellen Welt nach Hinweisen. Milhouse war nicht sein richtiger Name, aber den benutzte sowieso nie jemand. Seine Ähnlichkeit mit der Figur aus den Simpsons war, bis hin zur eher mäßig ausgebildeten Sozialkompetenz, geradezu frappierend, also hatte sich der Spitzname eingebürgert. Wann immer offiziell von DC Pecknold die Rede war, brauchte Phil ein paar Sekunden, um zu begreifen, wer gemeint war.
Rose Martin hatte einen Schreibtisch zugewiesen bekommen, an dem sie nun saß und mit angesäuerter Miene Berichte schrieb. Als sie Phil hereinkommen sah, blickte sie sofort wieder auf ihre Arbeit.
Dann betrat Anni den Raum. Dieses Mal konnten sich die beiden nicht aus dem Weg gehen, da Phil genau neben der Tür stand und sie ihn um ein Haar umgerannt hätte.
»Hi«, grüßte er sie.
»Boss«, sagte sie und versuchte, sich an ihm vorbeizuquetschen.
So leicht wollte Phil sie nicht davonkommen lassen. »Wir haben uns eine ganze Weile nicht gesehen. Woran arbeiten Sie gerade?«
Anni zuckte die Achseln. »Ein Stalkingfall. Vielleicht auch Einbruch.«
Phil runzelte die Stirn. »Für so was ist doch nicht das MIS zuständig. Das ist Routinekram.«
Wieder ein Achselzucken. »Die Sache kam rein, und es war sonst niemand da.«
Schweigen senkte sich über sie wie eine alte, kratzige Wolldecke.
Phil zog sie ein Stück beiseite und senkte die Stimme. »Passen Sie auf, ich weiß, dass Sie noch sauer sind, weil das mit der Beförderung nicht geklappt hat. Erst recht nach unserem letzten großen Fall.«
Anni sagte nichts.
»Ich habe Sie vorgeschlagen. Ich wollte, dass Sie die Stelle bekommen.«
Sie sah ihn an, als wolle sie widersprechen.
»Ich weiß, dass Sie glauben, ich hätte –«
»Das hat man mir so gesagt.« Sie funkelte ihn zornig an.
»Ja. Und ich weiß auch genau, wer es Ihnen gesagt hat.« Phil schielte zu Fenwicks Büro hinüber. Der DCI saß hinter seinem Schreibtisch, den Telefonhörer am Ohr. Phil fiel auf, dass Rose ebenfalls telefonierte und dabei die Hand über die Muschel hielt. Seltsamer Zufall.
Anni folgte seinem Blick und musterte ihn kurz, bevor sie zu Boden sah. »Wieso sollte er lügen? Wieso sollte er so was behaupten, wenn es nicht stimmt?«
Phil lächelte verhalten. »Ist die Frage ernst gemeint? Fenwick? Weil er ein Arschloch ist, deswegen.«
Jetzt musste auch Anni schmunzeln. Sie nickte.
»Also, was glauben Sie? Können Sie sich vorstellen, Ihren Fall irgendjemand anderem aufs Auge zu drücken und zu mir überzulaufen?« Erneut warf er einen flüchtigen Blick in Rose Martins Richtung. Die hatte inzwischen den Hörer aufgelegt, war aufgestanden und kam auf sie zu. »Ich brauche Ihre Hilfe, je schneller, desto besser.«
»Ich muss noch jemanden befragen, einen Exfreund, dann bin ich fertig. Fürs Erste jedenfalls.«
»Perfekt.«
»Ich habe die Protokolle für die Festnahme ausgefüllt und alles andere erledigt«, sagte Rose, als sie die beiden erreicht hatte. »Sie sitzen im Vernehmungszimmer und warten, dass jemand sie sich vornimmt.«
Phil ärgerte sich, dass sie ihn einfach so unterbrochen hatte, hielt eine offene Konfrontation im Moment jedoch nicht für angeraten. »Gute Arbeit, DS Martin. Dann können Sie sie jetzt laufenlassen.«
Ihr Gesicht lief feuerrot an. »Wie bitte?«
»Unzureichende Beweislage, was weiß ich. Wie Sie es nennen, ist mir egal. Wir haben sie von den Millers ferngehalten und ihnen einen Schrecken eingejagt. Das reicht. Lassen Sie sie gehen.«
Ihre Stimme überschlug sich. »Was? Nachdem ich mir die ganze Arbeit gemacht habe?«
Phil ließ sich von ihrer Wut nicht aus der Ruhe bringen. »Es war Ihr Fehler, also tragen Sie auch die Konsequenzen. Vielleicht denken Sie dann beim nächsten Mal etwas gründlicher nach, bevor Sie in meinem Beisein einen auf Dirty Harry machen.«
Rose kniff die Lippen zusammen und schluckte ihre Erwiderung hinunter. Sie holte tief Atem. Und noch einmal. Phil wartete.
»Aha, so ist das also. Ich habe meine Lektion gelernt und darf wieder bei den Großen mitspielen, ja?« Ihre Stimme troff vor Sarkasmus.
Phil ging nicht darauf ein, sondern blieb ganz sachlich. »So ungefähr.« Dann sah er zwischen Anni und Rose hin und her. Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel. »Eine Sache wäre da
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