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Der Staubozean

Titel: Der Staubozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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die Sie mir in Arnar geschickt haben. Die durch das Maßliebchen.«
    Ich drehte mein Gedächtnis zwei Wochen zurück. Ich hatte tatsächlich eine Botschaft geschickt. Eigentlich hatte ich angenommen, die Erinnerung an diese Handlung sei irgendein Fiebertraum. Ich hatte Murphig um Verzeihung gebeten, wie ich mich jetzt erinnerte.
    »Ja«, sagte ich. »Es tat mir leid, daß ich in Ihre Diskussion mit dem Käpt'n geplatzt bin.«
    »Was hielten Sie von unserem Gespräch?« fragte Murphig und blickte mich scharf an.
    »Ich war der Meinung, daß er Ihre Ansichten ziemlich schroff abgetan hat.«
    »Nett von Ihnen, das zu bemerken«, sagte Murphig beinahe lebhaft. Seine Augen waren dunkel, wie Scherben braunen Glases, und sein Nasenhaar war, wie ich bemerkte, in Kugelform gestutzt, anstatt wie das traditionelle drahtige Büschel zu sprießen. Sein Akzent war zudem leichter als der eines Nullaquaners, fast schon galaktisch. Es war offensichtlich, daß er aus einer Oberschichtfamilie kam; vielleicht gehörten seine Eltern zum Verwaltungsklerus.
    »Sie haben die Ergebnisse der Tiefenlotung gesehen. Was haben Sie dabei gedacht?«
    »Verblüffend.«
    »Es paßt alles zu meinen Theorien. Ich habe in letzter Zeit über den Krater nachgedacht. Über die Luft. Angenommen, es gab eine Zeit, in der Nullaqua eine Atmosphäre hatte. Dann loderte die Sonne auf und blies sie davon. Aber angenommen, eine intelligente Rasse hatte sich damals schon entwickelt, eine Rasse, die es kommen sehen konnte. Sie hätten einen Schutzraum gebaut, eine Zuflucht, die Platz genug für eine ganze Zivilisation bot. Ein riesiger Schutzraum mit siebzig Meilen hohen Mauern und einer Schicht aus Staub, um sie vor der Strahlung zu schützen. Und dann, nach der Katastrophe, wäre die Luft allmählich wieder in den Krater geflossen. Doch bis dahin hätte sich das Alte Volk an den Staub dort unten gewöhnt. Sie wären unfähig, ohne ihn zu leben, hätten vielleicht sogar ihre Körper verändert, um ohne Luft leben zu können …
    Einst waren sie stark; das kann man an den Vorposten der Älteren Kultur oben auf den Klippen erkennen. Damals wagten sie es nicht, in den Krater zu kommen. Vielleicht wurden sie … gefressen? Jetzt sind sie also viel schwächer. Alles, was sie wollen, ist Frieden, Status quo, gegenseitige Nichtbeachtung. Sie wollen weder weh tun noch töten, aber jene, die ihre Vollkommenheit stören, werden ausgelöscht, leise und schnell. Die Menschen leben hier schon seit fünfhundert Jahren, und obwohl es Gerüchte gibt, Volksmärchen, unbestätigte Beobachtungen, Rätsel der Tiefe - trotz alledem gibt es nichts wirklich Greifbares. Möglicherweise sterben sie. Oder vielleicht schlafen sie nur. Aber sie sind da, das ist gewiß.«
    Murphigs Gesicht hatte sich während seiner Worte vor Erregung leicht gerötet; jetzt setzte er sich aufseufzend auf den Stuhl.
    »Murphig«, sagte ich langsam, »das ist das Lächerlichste, was ich je gehört habe.«
    Der Matrose wurde rot vor Zorn, griff eilig nach seiner Maske und verließ die Küche.

9
    Ein weiteres Gespräch mit dem Ausguckposten
     
    N ACH DEM A BENDESSEN , einem vorzüglichen Krabbentopf, schickte Desperandum seinen Kajütenjungen Meggle zu mir und ließ mir ausrichten, ich möchte zu seiner Kajüte kommen. Ich ging hin; Desperandum saß in seinem Drehstuhl. Der Schreibtisch vor ihm war mit verstreuten Papieren übersät. Darüber hing eine einzelne Tranlampe; sie warf bizarre Schatten über Desperandums mächtiges, bärtiges Gesicht.
    Desperandum lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Finger hinter dem Kopf. »Sie haben kürzlich einiges Interesse an der Wissenschaft gezeigt, Newhouse«, sagte er ohne Einleitung, »also habe ich gedacht, ich erkläre Ihnen ganz genau, was ich heute getan habe und was ich bewiesen habe.«
    »Das ist sehr zuvorkommend, Käpt'n.«
    »Nehmen wir die Tatsachen, und untersuchen wir sie ganz sachlich«, sagte Desperandum in einem Tonfall, der so gespielt leidenschaftslos war, daß Mißtrauen sich in mir breitmachte. »Die Leine blieb in unterschiedlichen Tiefen hängen, dann wurde sie auf dem Weg nach unten abgetrennt. Was schließen Sie daraus?«
    »Verspieltheit.«
    Desperandum blickte mich starr an. »Ich habe einige Berechnungen durchgeführt«, sagte er, ohne auf meine Bemerkung einzugehen. Er zeigte auf die Papiere auf seinem Schreibtisch. Ich schaute sie mir an. »Berechnungen, die auf den Eigenschaften granulierten Gesteins beruhen. Sehen Sie,

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