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Der Staubozean

Titel: Der Staubozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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glitten, brach sie in Tränen aus und verbarg ihr Gesicht in den Schwingen. Vielleicht, dachte ich, war es ihre Unfähigkeit, es mir gleichzutun, die sie quälte. Sie war nicht in der Lage, die Handschuhe zu benutzen, wenn ich sie einmal angehabt hatte, denn meine Handflächen waren, verständlicherweise, schweißbedeckt, und sie hätte sich in den Handschuhen einen Hautausschlag geholt. Logischerweise kochte ich einen der Handschuhe aus, um die Giftstoffe zu beseitigen, aber ich hatte mir nicht klargemacht, daß der glatte, weiche Kunststoff hitzeempfindlich war. Er schmolz.
    Aber einen Handschuh hatte ich noch. Ich hatte immer eine lebhafte Vorstellungskraft besessen und konnte mir nicht weniger als fünf Arten ausdenken, auf die wir uns unter Verwendung des Handschuhs gegenseitig Befriedigung verschaffen konnten. Aber Dalusa wollte von keiner etwas wissen. Schon beim Anblick des Handschuhs brach sie in Tränen aus und verließ die Küche. Es war, milde gesagt, enttäuschend. Sicher, ich erkannte das Unappetitliche an der Situation, aber verzweifelte Umstände rufen nach verzweifelten Taten.
    Als eine Art Ausgleich verbrachte Dalusa immer mehr Zeit bei mir in der Küche und bemühte sich krampfhaft um Herzlichkeit. Auf ihre unbeholfene, künstliche verstümmelte Art versuchte sie, mir beim Kochen zu helfen. Ihre Bemühungen rührten mich, rührten mich so sehr, daß ich sie nicht aus der Küche hinauswarf, auch wenn ich die Arbeit doppelt so schnell erledigt hätte.
    Also knackten wir zusammen Krabben.
    Nachdem wir die Seerosenfelder hinter uns hatten, beschloß Desperandum, Tiefenmessungen durchzuführen. Er war gut vorbereitet; er brachte noch mehr von dieser superkefamischen Angelleine an Bord, insgesamt mindestens eine Meile lang, dazu einen mächtigen Bleiklumpen mit einer Metallöse obenauf. Nachdem er die Leine fest verschnürt hatte, hievte er den Klumpen über Bord und ließ die Leine von einer kleinen Winde abspulen.
    Murphig beobachtete ihn aus dem Schatten des Großmasts. Er sah, daß ich ihn beobachtete, wie er Desperandum beobachtete, also beobachtete er mich eine Zeitlang. Es war eine unbehagliche Situation.
    Desperandum kam auf fünfundzwanzig Meter Tiefe. Lächelnd trug er die Meßdaten in ein kleines schwarzes Logbuch ein. Dann tauchte ein zweifelnder Ausdruck auf seinen bärtigen Gesichtszügen auf. Er ging zur anderen Seite des Schiffes und warf die Leine wieder aus. Er kam auf eine Tiefe von fast achthundert Metern.
    Offenbar trieben wir über der Kante eines extrem steilen Plateaus. Ein anderer hätte die Achseln gezuckt und die Sache auf sich beruhen lassen. Aber Desperandum besaß die Skepsis des echten Wissenschaftlers. Er wiederholte die erste Messung und kam auf eine Tiefe von knapp eintausendachthundert Metern.
    Die zweite Messung auf der anderen Seite erbrachte zweihundertfünfzig Meter.
    Desperandum krauste die Stirn und wiederholte die erste Messung noch einmal. Er ließ die ganze Leine, zweieinhalb
    Meilen lang, über Bord gleiten, und erreichte dennoch den Grund nicht. Er holte die ganze Leine wieder ein, ein Vorgang, der eine volle Stunde dauerte. Er setzte sich und dachte eine Weile nach; dann beschloß er, die zweite Messung ebenfalls zu wiederholen.
    Er erreichte eine Tiefe von zweitausendsiebenhundert Metern, dann wurde die Leine schlaff. Desperandum rollte sie wieder auf. Irgend etwas in zweitausend Meter Tiefe hatte die Leine sauber abgeschnitten.
    Beim Anblick der zerschnittenen Leine änderte sich Desperandums Gesichtsausdruck keinen Deut, aber an den Kieferansätzen traten harte Muskelknoten hervor, die seine Staubmaske ausbeulten.
    Ich ging in die Küche hinunter. Dalusa war draußen auf einem Erkundungsflug. Bald würde ich mit der Arbeit für die dritte Mahlzeit des Tages anfangen müssen, die traditionell im Dämmerlicht der Felswand verzehrt wurde.
    Ich plante die Menüs immer eine Woche im voraus. Als ich meinen Vorschlag für diesen Abend nachschaute, öffnete sich quietschend die Luke. Murphig kam herein.
    Ich blickte auf und versuchte, die Muskeln zu entspannen, die sich bei seinem Anblick sofort verhärtet hatten. Ich hatte nie erfahren, wieviel er über unsere Syncophin-Operation wußte, und mir war keine Methode eingefallen, sein Wissen auszuloten, ohne ihm noch mehr zu enthüllen.
    »Was kann ich für Sie tun?« fragte ich.
    »Ich wollte hier runterkommen und mich unterhalten«, sagte Murphig, während er seine Maske abzog. »Ich habe die Botschaft erhalten,

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