Der Staubozean
Die Maate würden sie sicher finden. Wenn du mehr willst, kannst du hierherkommen.«
Calothrick zögerte; das Flackern zeigte allmählich Wirkung. »Also, hör mir mal zu, Mann«, sagte er undeutlich. »Ich bin nicht danach süchtig oder so, klar, aber es interessiert mich mehr als früher, und ich spüre, daß es besser wäre, wenn ich immer etwas bei mir habe. Was ist, wenn wieder alles gestohlen wird? Ich brauche viel. Mindestens für ein paar Wochen.«
»Wieviel ist das?«
»Aah … rund vier Pipetten pro Tag … zwei oder drei Päckchen, schätze ich.«
»Du kriegst es bis Mitternacht«, sagte ich. »Geh nach Arnar und kauf dir ein paar Behälter.«
Mit finsterem Blick ging Calothrick hinaus. Vier Pipetten voll pro Tag, überlegte ich. Eine solche Dosis würde mich wahrscheinlich umbringen. Und wenn er bei diesen Portionen blieb, würden Calothricks Hirnzellen zerstört werden. Ausgebrannt. Wenn er nicht außergewöhnlich widerstandsfähig war, würde Calothrick innerhalb weniger Jahre in den Zustand des Schwachsinns verfallen.
Aber es war sein Gehirn.
Im Morgengrauen stach die Lunglance mit kompletter Besatzung in See. Nach den zweitägigen Ausschweifungen war die Mannschaft mißmutiger denn je. Beim Frühstück fiel kein Wort; die Matrosen aßen wie träge Maschinen.
Wir segelten nach Nordosten. Nach zwei Wochen hatten wir die Drudenfuß-Inseln hinter uns gelassen. In diesem Teil des Staubmeers trat eine eigentümliche Lebensform auf, die als Seerosenblatt bekannt war. Hunderte Hektar waren von diesen seltsamen Pflanzen bedeckt. Ihr fotosynthetisches Organ war ein einzelnes rundes Blatt, mehrere Meter im Durchmesser, aber nur wenig mehr als einen Zentimeter dick. Es schwamm auf der Oberfläche und breitete sich weit aus, um soviel Sonnenlicht wie möglich aufzunehmen. Das graue Meer war mit Tausenden der Pflanzen grün getupft; sie trieben frei dahin und waren außergewöhnlich empfindlich. Wurden sie gestört, rollten sich die Blätter ein, falteten die gesamte Oberfläche zusammen und zogen sich vollständig in die Wurzel, eine dicke, runde Knolle, zurück. Diese sank dann sofort in die trübe Tiefe aus der Reichweite der Pflanzenfresser.
Viele Geschöpfe lebten in Symbiose oder in einem parasitären Verhältnis mit dem Seerosenblatt. Desperandum, der die Pflanze eingehend untersuchte, isolierte 257 verschiedene Arten von Organismen, die sich mit der Pflanze verbanden; dazu gehörten Blattknabberer, Blattgräber, Blattsauger, Wurzelfresser und Galleerzeuger. Daneben gab es sechsundzwanzig räuberische Arten, fünfundfünfzig Primärparasiten, neun Sekundärparasiten und drei Tertiärparasiten. Unter all diesen Geschöpfen gab es eine kleine, sechsbeinige Krabbe, die einen prächtigen Eintopf ergab. Wenn unser Bug die Seerosenblätter berührte, schrumpften diese sofort zusammen und sanken; ihre krabbelnden Passagiere blieben zurück und schwammen hektisch davon. Desperandum fing Hunderte der Tierchen, indem er einfach ein Netz hinter dem Schiff herzog.
Einige der Seerosenblätter standen in Blüte; sie besaßen einen langen, geraden Halm und eine bauschige weiße Blüte. Chitingepanzerte Bienen summten von Halm zu Halm und verstreuten Pollen. Sie waren stachellos, aber nicht eßbar.
Jeder wollte Krabbeneintopf. Schließlich fand ich in der untersten Schublade zwei Krabbenzangen, klapprige Geräte mit rostigen Gelenken und scharfen Metallschnäbeln, die schwer zu beschreiben sind. Man legt eine Krabbe in ein Gitter und drückt einen abgegriffenen Kunststoffhebel - dadurch wurden Rückenschild und Beine der Krabbe sauber aufgeschnitten.
Vom Koch wurde es erwartet, daß er die Krabben tötete, indem er sie in eine verdünnte Lösung seines eigenen Bluts tauchte. Die Nullaquaner hatten eine bemerkenswert beiläufige Einstellung zum Blut. Übrigens konnte Dalusa, deren Mund inzwischen bis auf einige winzige Narben an den Rändern verheilt war, ihr Angebot, mir zu helfen, nicht verwirklichen, wenn die Krabben mit menschlichem Blut vergiftet waren. So fand ich schließlich doch noch eine Verwendung für den Whisky. Der Alkohol schien auf die Krabben wie ein Nervengift zu wirken: Einem kurzen epileptischen Zucker folgte ein schneller Tod.
Ich knackte die vergifteten Krabben, während Dalusa mit ihren langen, scharfen Fingernägeln das Fleisch herauszog.
Ich hatte immer noch meine Handschuhe. Unsere Versuche, sie zu benutzen, waren fehlgeschlagen. Sobald meine behandschuhten Hände über ihren Körper
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