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Der Staubozean

Titel: Der Staubozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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bestimmen, und ewige Stille dehnte sich von Wand zu Wand aus. Die Luft war klarer, und auf beiden Seiten der Lunglance erstreckte sich silbriger Wärmedunst schimmernd in die Ferne. Man konnte mit zusammengekniffenen Augen durch die Linsen der Maske spähen und sich beinahe vorstellen, wie die Lunglance auf einem gewaltigen Ozean aus Quecksilber trieb. Der Himmel erschien hier blauer als gewöhnlich zu sein, fast violett, und der untere Rand der Klippen weit draußen im Westen wirkte purpurrot gesprenkelt. Jeder Fetzen Kunststoffsegel, den die Lunglance besaß, war gesetzt, selbst die winzigen Hilfssegel ganz hoch oben, deren Masten nicht dicker als Besenstiele waren. Nur ein Hauch von Wind trieb uns voran, und das Schiff schien fast widerwillig durch den Staub zu gleiten.
    Ich schwitzte in meiner Maske; ich mußte den Kopf zurücklegen und schütteln, um den Schweiß aus meinen Augen zu halten. Die Matrosen, die dichtere Augenbrauen hatten als ich, kannten dieses Problem nicht. Ich lehnte über der Reling und starrte versonnen in die Ferne; das Flackern, das ich am Morgen genommen hatte, wirkte noch ein wenig nach. Es war eine anheimelnde Szene, stellte ich fest. Ich erwog, ein Gedicht darüber zu schreiben. Ich entschied mich dagegen.
    Dalusa kehrte von ihrem morgendlichen Erkundungsflug zurück, schwebte an der Reling so nahe an mir vorbei, daß der Luftzug meine Haare aufrichtete. Ich winkte ihr zu. Dalusa, stellte ich fest, entwickelte ihr Äquivalent der Sonnenbräune: sie wurde immer bleicher, je öfter sie sich der Sonne aussetzte. Eigentlich eine logischere Reaktion als die meines Körpers. Schließlich reflektiert bleiche Haut die Hitze.
    Unauffällig blickte ich mich um und registrierte erleichtert, daß Murphig nirgendwo zu sehen war. Ich war sicher gewesen, daß er irgendwo herumstand und beobachtete.
    Vielleicht würde ich mich mit Murphig anfreunden müssen. Er verfügte über einen aufnahmebereiten, fragenden Verstand und schien trotz seiner Eigenarten tief in geistiger Gesundheit verwurzelt zu sein. Einmal angenommen, Desperandum wurde plötzlich gefährlich. Von den in der Tradition verhafteten Maaten oder den ochsengleichen Matrosen wäre wenig Hilfe zu erwarten. Wahrscheinlich würden sie eher ihre Mutter vergiften, als ihre Seele mit Meuterei beflecken. Calothrick war ebenfalls eine Null. Wie ich erst gestern erfahren hatte, als er zu mir gekommen war, um alle drei Kunststoffpäckchen nachzufüllen, war er immer noch beleidigt, weil ich ihm keinen eigenen Flacker-Vorrat gegeben hatte. Zudem wurde er immer schmutziger; sein Haar war glatt und schmierig, und die aufgemalten Blitze lösten sich allmählich von seiner Maske. Man konnte ihm nicht trauen.
    Und es erforderte mindestens zwei von uns, um mit Desperandum fertig zu werden. Wahrscheinlich waren mindestens zwei nötig, nur um ihn zu töten, selbst mit den Harpunen. Sogar über Dalusas Wert als Verbündete hegte ich Zweifel. Sie liebte mich, daran war nicht zu zweifeln. Aber auf welche Weise? Was bedeutete Liebe überhaupt für sie? Das konnte ich nicht herausfinden, da sie sich weigerte, über ihren kulturellen Hintergrund zu sprechen. Ich war besessen von Dalusa, aber ich war nicht blind.
    An diesem Tag töteten wir zwei Wale und warfen sechs befruchtete Eier über Bord. Am Abend bereitete ich Walsteaks zu. Sie waren scheußlich.
    Am nächsten Morgen tauchte am westlichen Horizont eine Wolke auf. Das konnte nur Schlimmes bedeuten, denn Nullaqua hatte nie jene sanften normalen Wolken aus harmlosem Wasserdampf, die den Himmel anderer Planeten schmücken.
    »Was halten Sie davon, Mr. Flack?« hörte ich Desperandum den ersten Maat fragen, während er ihm ein Fernglas reichte.
    »Fliegende Fische, Sir«, entgegnete der einsilbige Walfänger.
    »Gut! Gut!« sagte Desperandum barsch. »Mr. Flack, halten Sie zwei Mann bereit, um mir mit den Apparaturen zu helfen. Der Rest der Mannschaft zieht sich unter Deck zurück.«
    Während zwei Matrosen Kontrollgeräte aus Desperandums Kajüte zogen, suchten wir übrigen Schutz unter Deck. Bevor ich nach unten ging, blickte ich mich schnell nach Dalusa um. Sie war nirgendwo zu sehen. Später entdeckte ich, daß sie schon vor mir nach unten gegangen war. Ich saß auf dem Stuhl in der Küche, während die übrigen Matrosen die Treppe herunterpolterten. Calothrick kam vorbei und warf mir ein glasiges, gelbzähniges Grinsen zu.
    Ich überlegte, ob ich einen schnellen Schuß Flackern nehmen sollte, während sie an

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