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Der Staubozean

Titel: Der Staubozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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ich habe das spezifische Gewicht des Felsgesteins genommen, dazu die elektrostatische und chemische Bindung als Funktion des Oberflächenbereichs. Diese Daten habe ich in eine wohlbekannte geologische Formel für die Bildung metamorphischen Felsens eingesetzt.«
    Ich schaute weiter auf die Papiere auf dem Schreibtisch. Es war ein wenig schwierig, die Daten auf dem Papier zu erkennen, aber ich versuchte es. »Heraus kommt, daß die Dynamik des Staubmeeres komplexer ist, als wir es bisher vermutet haben«, fuhr Desperandum gesprächig fort. »Unter bestimmten Bedingungen, die hier an der Oberfläche nicht hergestellt werden können, wird der Staub unter Druck zu langen horizontalen Streifen flachen Felsens verschmolzen. Diese Streifen sind ständig in Bewegung, verkleinern sich; sie sind äußerst instabil. Aber sie sind stabil genug, eine Lotleine aufzuhalten, und ihre Kanten sind dünn und scharf wie Feuerstein. Sie können schneiden.«
    »Das war es also«, sagte ich. Mir war gerade klargeworden, daß die Papiere, die ich die ganze Zeit untersuchte, tatsächlich mit Zahlen bedeckt waren. Aber es gab keine Anzeichen für irgendwelche Berechnungen. Zwar entdeckte ich drei oder vier wahllos hingeschriebene Multiplikationszeichen und zwei große Integrale, aber sie hatten nichts mit den eigentlichen Zahlen zu tun. Es gab keine Summen. Nur Zahlen. Auch sehr große Zahlen, Zahlen in den Millionen und Milliarden, als gewännen die Zahlen zunehmende Bedeutung und einen stärkeren Bezug zur Wirklichkeit, wenn man ihre Stellenzahl vermehrte. Die anderen Papiere waren genauso. Sinn- und wahllose Kritzeleien.
    »Ja, so ist es«, sagte Desperandum freundlich. »Es gibt auch noch eine Bestätigung dafür. Es ist leicht einzusehen, daß solche Barrieren außergewöhnlich starke Strömungen verursachen können. Stellen Sie sich beispielsweise vor, daß eine Felsbarriere, die zwei unterschiedliche Temperaturbereiche trennt, plötzlich verschwindet. Es würde sofort zu Turbulenzen kommen. Vielleicht entstände dabei ein Sturm.«
    »Sehr überzeugend«, sagte ich. Unsere Blicke trafen sich in einem schnellen Aufblitzen gegenseitigen Argwohns.
    Später in dieser Nacht, viel später, wachte ich von einem leisen Auftreten auf der Treppe auf. Nur ein Wesen konnte so leise gehen: Dalusa.
    Die Nacht war fast völlig dunkel, so dunkel, daß seltsam verschwommene Flecken, purpurn und kastanienbraun, nebelhaft durch mein Blickfeld schwebten. Als ich von meinem Matratzenlager auf dem Küchenboden nach oben durch die Luke blickte, konnte ich einen einzelnen schwachen, staubgetrübten Stern erkennen.
    Es war eine kalte Nacht auf dem Staubmeer. Der Staub besaß nicht die wärmespeichernden, klimamäßigenden Eigenschaften des Wassers. Ich schlief auf meiner Matratze, eine Decke aus schwarzen und weißen Sechsecken bis ans Kinn gezogen.
    »Dalusa«, sagte ich. In der Stille wirkte meine Stimme unnatürlich laut.
    »Ich wollte mich unterhalten«, flüsterte sie. Ich hörte, wie sie auf mich zutrat. Waren ihre Augen im Dunkeln besser als meine? Vielleicht konnte sie die infraroten Wellen sehen, die ich ausstrahlte, oder ihr reichte das Licht eines einzigen Sterns. Jedenfalls kam sie unbeirrt näher, zog den Rand der Decke sorgfältig um mein Kinn und legte ihre Wange auf meine Brust. Die Decke trennte uns, aber ich konnte ihre Körperwärme und ihr Gewicht spüren. Sie war so leicht wie ein Kind.
    Mein Puls schlug schneller; ich versuchte, ruhig zu bleiben. »Was hältst du von den Spielereien des Käpt'n?«
    »Das ist nichts Neues«, sagte sie leise und schmiegte sich noch enger an mich. Sie legte ihre Hände auf meine Oberarme, die unter der Decke waren. Ich spürte ein plötzliches Bedürfnis nach einem Schuß Flackern. Ich versuchte, es zu vergessen.
    »Wie meinst du das?«
    »Ich habe drei Fahrten mit dem Käpt'n gemacht«, sagte sie. »In der ganzen Zeit habe ich vielleicht zwanzig Tiefenmessungen gesehen, und nie hatte er Erfolg. Manchmal akzeptiert er das erste Ergebnis. Manchmal fährt er mit den Messungen fort. Es gibt nie zwei gleiche Situationen.«
    »Du meinst, das hat er alles schon einmal gemacht?«
    »Immer und immer wieder. Jedesmal mit einer neuen Crew, außer mir.«
    Ich lachte in die Dunkelheit hinein. Dalusa bewegte sich auf mir. Die ganze Situation war von solch tragischer Komik, daß es nur zwei menschliche Reaktionen darauf gab: lachen oder sich betrinken. Es war zu spät in der Nacht, um zu trinken. »Warum tut er das? Warum

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