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Der Staubozean

Titel: Der Staubozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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kochen den Ring. Dann kannst du ihn überziehen.«
    Dalusa stand auf und wischte mit einer Hand die Tränen aus ihren Augen. »Wohin werden wir gehen, wenn die Fahrt vorüber ist?«
    »Nach Reverie. Dir wird es dort gefallen. Dort gibt es noch Wildnis; die Bevölkerungskontrolle ist streng, das Klima ist sehr angenehm. Ich habe dort gelebt, ehe ich nach Nullaqua kam. Ich habe dort noch Freunde.«
    »Und was ist, wenn sie uns nicht akzeptieren?«
    »Dann sind sie nicht mehr meine Freunde. Ich … wir brauchen sie nicht.« Ich stellte einen Topf auf den Herd, goß etwas Wasser hinein und stellte die Flamme an. Dann warf ich den Ring hinein.
    »Schau nicht so trübselig drein, Dalusa«, ermunterte ich sie. »Zeig mir ein Lächeln. So bist du ein braves Mädchen, denk daran. Vielleicht können wir eine richtige terranische Hochzeit arrangieren, eine ganz traditionelle. Ich bezweifle, daß es auf Reverie terranische Sekten gibt, aber wahrscheinlich können wir irgendeinen Monotheisten finden, der bereit ist, die Zeremonie zu leiten. Und nach den Operationen können wir fast ganz normal zusammenleben … natürlich abgesehen davon, daß wenige Männer den Vorzug haben, mit einer so schönen Frau verheiratet zu sein.«
    Zum ersten Mal lächelte sie.
    »Keiner von uns kann als völlig normal bezeichnet werden«, sagte ich, während ich den Ring im kochenden Wasser prüfte. »Aber das heißt doch nicht, daß es uns schlecht geht. Wir haben genauso ein Recht wie jeder andere darauf, ohne Not und Leiden zu leben. Keine Schmerzen, kein Hautausschlag, kein Blut …«
    Ich angelte den Ring mit einer Pinzette aus dem kochenden Wasser und schwenkte ihn in der Luft, damit er abkühlte.
    »Vielleicht sollten wir warten«, sagte Dalusa schließlich. Ihre dunklen Augen folgten den Bewegungen des Rings. »Vielleicht wirst du mich nicht mehr lieben, wenn wir wieder an Land sind, wenn du Gelegenheit hast, normale Frauen zu sehen.« Sie schien beinahe verzweifelt.
    Mein Gesicht zeigte keine Regung, aber innerlich »runzelte« ich die Stirn. »Ich kenne meinen Verstand. Ich glaube, der Ring ist jetzt kalt. Willst du ihn?«
    Sie nahm ihn.

12
    Anemonen
     
    S OBALD WIR D IE K LIPPEN hinter uns gelassen hatten, warf Desperandum wieder sein Netz über Bord und zog es gemächlich hinter dem Schiff her. Ich fragte mich, hinter was er her war. Plankton gab es hier nur wenig. Während der Wartezeit ging Desperandum nach unten in den Laderaum. Bald kam er wieder an Deck, einen Klapptisch unter einem Arm und einen riesigen Glasbottich in der anderen Hand. Es war einer der größten Glasbehälter, den ich je gesehen hatte. Mit angezogenen Knien hätte ich mich hineinkauern können. Er war zylindrisch geformt, so weit wie hoch und hatte keinen Deckel.
    Desperandum stampfte zum Großmast hinüber und setzte den Bottich mit einem Klirren aufs Deck. Dann klappte er den Tisch mit präzisen Bewegungen auf und stellte die Beine gerade. Aus einer großen Stofftasche unter dem Tisch zog er vier mächtige Saugnäpfe heraus; sie waren aus Kunststoff und von der Größe eines Tellers. Elastische Vorsprünge in der Mitte paßten exakt in die Tischbeine. Desperandum setzte die Näpfe aufs Deck, drehte den Tisch herum und stellte ihn auf. Er stützte einen Teil seines gewaltigen Gewichts auf den Tisch, und sofort wurden die Saugnäpfe zusammengepreßt. Mindestens fünf Männer wären nötig gewesen, um den Tisch zu lösen.
    Ich bemerkte, daß eine weite, kreisförmige Einbuchtung in dem Tisch war, die der Größe des Glasbottichs entsprach. Wie zu erwarten, nahm Desperandum den Bottich und setzte ihn in die Vertiefung. Er trat zurück, um sein Werk zu bewundern.
    »Mr. Bogunheim!« donnerte Desperandum.
    »Jawohl, Sir?« sagte der dritte Maat.
    »Lassen Sie diesen Bottich mit Staub füllen. Etwa drei Viertel der Höhe werden ausreichen.«
    Bald darauf waren Calothrick und ein magerer nullaquanischer Matrose damit beschäftigt, Eimer herbeizutragen. Desperandum zog sich in seine Kajüte zurück.
    In dem mit Staub gefüllten Gefäß entstanden seltsame Strömungen. Von der Sonne durch das Glas hindurch erwärmte Teilchen stiegen am Rand entlang nach oben und breiteten sich auf der Oberfläche aus. Kälterer Staub floß träge nach unten. Die Struktur des Kreislaufs würde sich ändern, wenn die Sonne über den Himmel strich.
    Hier im Zentrum des Kraters war der Tag in gleiche Hälften geteilt. Der Vormittag dauerte fünf Stunden. Wir brauchten nicht, wie in Arnar, im

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