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Der Staubozean

Titel: Der Staubozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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hätten, würde der Himmel vor Ihren Augen schwarz werden. Nach einem Monat kletterten Sie über Felsen, die seit vier Milliarden Jahren unberührt sind. Dort oben gibt es keinen Wind, um die trägen Staubmassen aufzurühren. Es gibt keine Flüsse, um den Fels zu erodieren, kein Wasser, das gefriert und Felsspalten aufbricht, keine Büsche oder Flechtengewächse, die mit geschickten Wurzeln und Geduld nach Rissen in der Felswand suchen. Vielleicht einmal in zehn Jahren ein lautloses Rinnen von Staubkaskaden, die sich über den uralten Fels hinunter zum ausgedörrten Meer ergießen.
    Schließlich würden Sie irgendwann den Rand der Felswand erreichen. Sie ständen im luftleeren, zerklüfteten Land, auf gemartertem, schroffem Felsgestein, dem stummen ewigen Opfer schrecklicher Hitze und tödlicher Kälte.
    Wenden Sie sich um und schauen Sie zurück, verehrter Leser. Können Sie den Krater jetzt sehen? Er ist breit, großartig; in ihm schimmert ein Meer aus Luft über dem Meer aus Staub. Fast eine Million Menschen leben in diesem gigantischen Loch, diesem unglaublichen Krater, diesem starren Auge im Gesicht eines leeren Planeten.
     
    »In weniger als zwei Monaten müßten wir gesund und munter bei der Hochinsel anlegen«, sagte ich zu Dalusa, während ich sie durch die Decke umarmte. Sie ließ ein leises zustimmendes Seufzen hören, und ich grinste in das Dämmerlicht.
    »Du hast gesagt, du willst Nullaqua verlassen«, fuhr ich fort.
    »Ja.«
    »Das will ich auch. Und wenn wir erst angelegt haben, werde ich wohl eine Menge Geld bekommen.« In etwa vier Monaten, schätze ich. Zeit genug, um die Flackern-Dealer auf Reverie über die neuen Umstände auf Nullaqua und meinen letzten großen Deal zu informieren. Ein paar Proben meines wahnwitzigen Gebräus, und sie würden Himmel und Erde in Bewegung setzen, um mich zurückzubringen. Es gab noch Hoffnung. Auf Reverie kannte ich Chemiker. Vielleicht konnten sie Flackern synthetisch herstellen. Vielleicht konnten sie es sogar verbessern.
    »Eine Menge Geld. Genug, um unsere Abreise von dem Planeten zu bezahlen - für uns beide.«
    Keine Antwort.
    »Ich weiß, die Situation scheint hoffnungslos für uns«, fuhr ich fort und betonte das scheint. »Aber mit Geld ist nichts unmöglich. Du kannst deinen Körper chemisch verändern lassen; oder, falls das zu kompliziert ist, lasse ich meinen verändern. Wir können Jahre, vielleicht Jahrhunderte zusammenleben. Sogar Kinder haben, wenn du welche willst.«
    Immer noch nichts. Ich ließ nicht zu, daß die Stille Unbehagen verbreitete.
    »Ich spüre, daß wir etwas haben, eine Verbindung, die sehr stark sein könnte, sehr lange dauern kann«, sagte ich. »Ich weiß nicht warum, aber ich liebe dich. Ich liebe dich sehr. Deshalb …« Ich griff unter die Decke und zog einen Ring heraus, einen von den wenigen, die ich auf die Fahrt mitgenommen hatte. Ich glaube, ich habe schon erwähnt, daß ich eine Vorliebe für Ringe habe. Dies war einer meiner Lieblingsringe, ein kleines terranisches amphibisches Tier mit vier Beinen, in Silber gefaßt. Eines der langen kräftigen Beine war bogenförmig gestreckt und berührte das Kinn. Ich trug den Ring am kleinen Finger. »Ich gebe dir diesen Ring. Es gibt einen alten terranischen Brauch. Ich möchte, daß du seine Bedeutung genau verstehst. Man nennt es Verlöbnis. Wenn du den Ring trägst, ist das ein Symbol für unsere Zuneigung, die wir mit keinem anderen teilen.«
    »Der Ring ist sehr schön«, sagte Dalusa heiser. Ich blickte zu ihr hoch; Tränen glitzerten auf ihrem Gesicht. Ich war gerührt, denn ich hatte immer gedacht, daß vor Freude weinen nur eine Redensart war.
    »Streif ihn noch nicht über«, sagte ich hastig. »Ich habe ihn noch nicht sterilisiert.«
    »Und wenn ich ihn anziehe, dann sind wir richtig verlogen?«
    »Verlobt«, korrigierte ich.
    Dalusa begann, laut zu weinen. »Ich fürchte«, sagte sie, »ich fürchte du wirst mich hassen, mich loswerden wollen. Ich glaube, du wirst mich anschauen und dich fragen, wieso du mich jemals haben wolltest. Was werde ich tun, wenn ich dich verliere?«
    »Aber das wirst du nicht«, erwiderte ich. »Ich werde dich lieben, solange diese Persönlichkeit besteht. Ich ging ganz sicher. Bei Gott, wir werden uns ändern. Aber vor uns liegen Jahrzehnte, Jahrhunderte. Wenn die Zeit kommt, kannst du entscheiden, was du tun willst.«
    »Ich fürchte mich …«
    »Ich werde dich beschützen. Das ist ein Versprechen.« Ich wurde drängender. »Komm, wir

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