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Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
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ein Besuch wie der der Gräfin zunächst nur Verlegenheit schaffen konnte, wenn’s denn aber durchaus sein mußte, so war ihm ein Tête-à-tête mit ihr immer noch lieber als eine Plauderei zu dritt. Er ging ihr denn auch bis in den Flur entgegen, war ihr hier beim Ablegen behilflich und sprach ihr - weil er jede Scheu rasch von sich abfallen fühlte - ganz aufrichtig seine Freude aus, sie in seiner Pfarre begrüßen zu dürfen. »Und nun bitt’ ich Sie, Frau Gräfin, sich’s unter meinen Büchern hier nach Möglichkeit bequem machen zu wollen. Ich bin zwar auch Inhaber einer Putzstube, mit einem dezenten Teppich und einem kalten Ofen; aber ich könnte das gesundheitlich nicht verantworten. Hier haben wir wenigstens eine gute Temperatur.«
    »Die immer die Hauptsache bleibt. Ach, eine gute Temperatur! Gesellschaftlich ist sie beinah alles und dabei leider doch so selten. Ich kenne Häuser, wo, wenn Sie den Widersinn verzeihen wollen, der kalte Ofen gar nicht ausgeht. Aber erlassen Sie mir gütigst den Sofaplatz hier; ich fühle mich dazu noch nicht ›alte Dame‹ genug und möchte auch gern en vue der beiden Bilder bleiben, trotzdem ich das eine davon schon so gut wie kenne.«
    »Die Kreuzabnahme?«
    »Nein! das andre.«
    »Die Lind also?”
    »Ja.«
    »So haben Sie das schöne Bild in der Nationalgalerie gesehn?«
    »Auch das. Aber doch freilich erst seit ganz kurzem, während ich von Ihrer Aquarellkopie schon seit ein paar Monaten weiß. Das war auf einer Dampfschiffahrt, die wir nach dem sogenannten ›Eierhäuschen‹ machten, und der Ausplauderer über das Bild da vor mir war niemand anders als Ihr Zögling Woldemar, auf den Sie stolz sein können. Er freilich würde den Satz umkehren, oder sage ich lieber, er tat es. Denn er sprach mit solcher Liebe von Ihnen, daß ich Sie von jenem Tag an auch herzlich liebe, was Sie sich schon gefallen lassen müssen. Ein Glück nur, daß er sich draußen verabschiedet hat und nicht hören kann, was ich hier sage…«
    Lorenzen lächelte.
    »Sonst hätten sich diese Bekenntnisse verboten. Aber da sie nun mal gemacht sind und man nie weiß, wann und wie man wieder zusammenkommt, so lassen Sie mich darin fortfahren. Woldemar erzählte mir - Pardon für meine Indiskretion - von Ihrer Schwärmerei für die Lind. Und da horchten wir denn auf und beneideten Sie fast. Nichts beneidenswerter als eine Seele, die schwärmen kann. Schwärmen ist fliegen, eine himmlische Bewegung nach oben.«
    Lorenzen stutzte. Das war doch mehr als bloß eine liebenswürdige Dame aus der Gesellschaft.
    »Und um es kurz zu machen«, fuhr Melusine fort, »Woldemar sprach bei dieser Gelegenheit wie von Ihrer ersten Liebe« (und dabei wies sie lächelnd auf das Bildchen der Lind) »so auch von Ihrer letzten - nein, nein, nicht von Ihrer letzten; Sie werden immer eine neue finden -, sprach also von Ihrer Begeisterung für den herrlichen Mann da weit unten am Tajo, von Ihrer Begeisterung für den Joao de Deus. Und als er ausgesprochen hatte, da haben wir uns alle, die wir zugegen waren, um den ›Un Santo‹ geschart und einen geheimen Bund geschlossen. Erst um den ›Un Santo‹ und zum zweiten um Sie selbst. Und nun frag’ ich Sie, wollen Sie mittun in diesem unserm Bunde, der ohne Sie gar nicht existierte? Mir ist manches verquer gegangen. Aber ich bin, denk’ ich, dem Tage nahe, der mich ahnen läßt, daß unsre Prüfungen auch unsre Segnungen sind und daß mir alles Leid nur kam, um den Stab, der trägt und stützt, fester zu umklammern. Ich darf leider nicht hinzusetzen, daß dieser Stab (möglich, daß er sich einst dazu auswächst) das Kreuz sei. Meiner ganzen Natur nach bin ich ungläubig. Aber ich hoffe, sagen zu dürfen: ich bin wenigstens demütig.«
    »Wenigstens demütig«, wiederholte Lorenzen langsam, zugleich halb verlegen vor sich hinblickend, und Melusine, die Zweifel, die sich in der Wiederholung dieser Worte ziemlich deutlich aussprachen, mit scharfem Ohre heraushörend, fuhr in plötzlich verändertem und beinah heiterem Tone fort: »Wie grausam Sie sind. Aber Sie haben recht. Demütig. Und daß ich mich dessen auch noch berühme. Wer ist demütig? Wir alle sind im letzten doch eigentlich das Gegenteil davon. Aber das darf ich sagen, ich habe den Willen dazu.«
    »Und schon der gilt, Frau Gräfin. Nur freilich ist Demut nicht genug; sie schafft nicht, sie fördert nicht nach außen, sie belebt kaum.«
    »Und ist doch mindestens der Anfang zum Bessern, weil sie mit dem Egoismus

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