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Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
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Untermenschen, und mitunter sind es gerade die, die man durchaus zu einem ›Über‹ machen will. Ich habe von solchen Leuten gelesen und auch welche gesehn. Ein Glück, daß es, nach meiner Wahrnehmung, immer entschieden komische Figuren sind, sonst könnte man verzweifeln. Und daneben unser alter Wilhelm! Wie war er denn so, wenn er so still seine Sommertage verbrachte? Können Sie mir was von ihm erzählen? So was, woran man ihn so recht eigentlich erkennt.«
    »Ich darf sagen ›ja‹, Herr von Stechlin. Habe so was mit ihm erlebt. Eine ganz kleine Geschichte; aber das sind gerade die besten. Da hatten wir mal einen schweren Regentag in Gastein, so daß der alte Herr nicht ins Freie kam und, statt draußen in den Bergen, in seinem großen Wohnzimmer seinen gewohnten Spaziergang machen mußte, so gut es eben ging. Unter ihm aber (was er wußte) lag ein Schwerkranker. Und nun denken Sie sich, als ich bei dem guten alten Kaiser eintrete, seh’ ich ihn, wie er da lange Läufer und Teppiche zusammenschleppt und übereinanderpackt, und als er mein Erstaunen sieht, sagt er mit einem unbeschreiblichen und mir unvergeßlichen Lächeln: ›Ja, lieber Frommel, da unter mir liegt ein Kranker; ich mag nicht, daß er die Empfindung hat, ich trample ihm da so über den Kopf hin…‹ Sehn Sie, Herr von Stechlin, da haben Sie den alten Kaiser.«
    Dubslav schwieg und nickte. »Wie beneid’ ich Sie, so was erlebt zu haben«, hob er nach einer Weile an. »Ich kannt’ ihn auch ganz gut, das heißt in den Tagen, wo er noch Prinz Wilhelm war, und dann oberflächlich auch später noch. Aber seine eigentliche Zeit ist doch seine Kaiserzeit.«
    »Gewiß, Herr von Stechlin. Es wächst der Mensch mit seinen größern Zwecken.«
    »Richtig, richtig«, sagte Dubslav, »das schwebte mir auch vor; ich konnt’ es bloß nicht gleich finden. Ja, so war er, und so einen kriegen wir nicht wieder. Übrigens sag’ ich das in aller Reverenz. Denn ich bin kein Frondeur. Fronde ist mir gräßlich und paßt nicht für uns. Bloß mitunter, da paßt sie doch vielleicht.«
    Inzwischen war die siebente Stunde herangekommen, und um halb acht ging der Zug, mit dem das junge Paar noch bis Dresden wollte, dieser herkömmlich ersten Etappe für jede Hochzeitsreise nach dem Süden. Man erhob sich von der Tafel, und während die Gäste, bunte Reihe machend, untereinander zu plaudern begannen, zogen sich Woldemar und Armgard unbemerkt zurück. Ihr Reisegepäck war seit einer Stunde schon voraus, und nun hielt auch der viersitzige Wagen vor dem Barbyschen Hause. Die Baronin und Melusine hatten sich zur Begleitung des jungen Paares miteinander verabredet und nahmen jetzt, ohne daß Woldemar und Armgard es hindern konnten, die beiden Rücksitze des Wagens ein. Das ergab aber, besonders zwischen den zwei Schwestern, eine vollkommene Rang- und Höflichkeitsstreiterei. »Ja, wenn es jetzt in die Kirche ginge«, sagte Armgard, »so hättest du recht. Aber unser Wagen ist ja schon wieder ein ganz einfacher Landauer geworden, und Woldemar und ich sind, vier Stunden nach der Trauung, schon wieder wie zwei gewöhnliche Menschen. Und sich dessen bewußt zu werden, damit kann man nicht früh genug anfangen.«
    »Armgard, du wirst mir zu gescheit«, sagte Melusine.
    Man einigte sich zuletzt, und als der Wagen am Anhalter Bahnhof eintraf, waren Rex und Czako bereits da - beide mit Riesensträußen -, zogen sich aber unmittelbar nach Überreichung ihrer Bouquets wieder zurück. Nur die Baronin und Melusine blieben noch auf dem Bahnsteig und warteten unter lebhafter Plauderei bis zum Abgange des Zuges. In dem von dem jungen Paare gewählten Coupé befanden sich noch zwei Reisende; der eine, blond und artig und mit goldener Brille, konnte nur ein Sachse sein, der andre dagegen, mit Pelz und Juchtenkoffer, war augenscheinlich ein »Internationaler« aus dem Osten oder selbst aus dem Südosten Europas.
    Nun aber hörte man das Signal, und der Zug setzte sich in Bewegung.
    Die Baronin und Melusine grüßten noch mit ihren Tüchern. Dann bestiegen sie wieder den draußen haltenden Wagen. Es war ein herrliches Wetter, einer jener Vorfrühlingstage, wie sie sich gelegentlich schon im Februar einstellen.
    »Es ist so schön«, sagte Melusine. »Benutzen wir’s. Ich denke, liebe Baronin, wir fahren hier zunächst am Kanal hin in den Tiergarten hinein und dann an den Zelten vorbei bis in Ihre Wohnung.«
    Eine Weile schwiegen beide Damen; im Augenblick aber, wo sie von dem holprigen

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