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Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
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so schlimm.«
    »Ich erlebe noch«, lachte Armgard, »daß du ‘nen neuen Kreuzzug oder ähnliches predigst. Aber wir sind von unserm eigentlichen Thema ganz abgekommen, von der Domina. Du sagtest, ihre Gefühle widersprächen sich untereinander. Welche Gefühle?«
    »Darauf ist leicht Antwort geben. Erst beglückwünscht sie sich zu sich selbst, und hinterher ärgert sie sich über sich selbst. Und daß sie das muß , daran sind wir schuld, und das kann sie uns nicht verzeihn.«
    »Ich würde vielleicht zustimmen, wenn das, was du da sagst, nicht so sehr eitel klänge… Sie hat übrigens einen guten Verstand.«
    »Den hat sie, gewiß, den haben sie alle hier oder doch die meisten. Aber ein guter Verstand, so viel er ist, ist auch wieder recht wenig und schließlich - ich muß leider zu diesem Berolinismus greifen - ist diese gute Domina doch nichts weiter als eine Stakete, lang und spitz. Und nicht mal grün gestrichen.«
    »Und der Alte? Der wenigstens wird doch vor deiner Kritik bestehn.«
    »Oh, der; der ist hors concours und geht noch über Woldemar hinaus. Was meinst du, wenn ich den Alten heiratete?«
    »Sprich nicht so, Melusine. Ich weiß ja recht gut, wie das alles von dir gemeint ist, Übermut und wieder Übermut. Aber er ist doch am Ende noch nicht so steinalt. Und du , so lieb ich dich habe, du bist schließlich imstande, dich in solche Kompliziertheiten von Schwiegervater und Schwager, alles in einem, und womöglich noch allerhand dazu, zu verlieben.«
    »Jedenfalls mehr als in den , der diese Kompliziertheit darstellt oder gar erst schaffen soll… Also sei ruhig, freundlich Element.«

Dreiunddreißigstes Kapitel
    Das war in den letzten Dezembertagen; auf Ende Februar hatte man die Hochzeit des jungen Paares festgesetzt. In der Zwischenzeit war seitens des alten Grafen erwogen worden, ob die Trauung nicht doch vielleicht auf einem der Barbyschen Erbgüter stattfinden solle; die Braut selbst aber war dagegen gewesen und hatte mit einer ihr sonst nicht eignen Lebhaftigkeit versichert: sie hänge an der Armee, weshalb sie - ganz abgesehn von ihrem teuren Frommel - die Berliner Garnisonkirche weit vorziehe. Daß diese, nach Ansicht vieler, bloß ein großer Schuppen sei, habe für sie gar keine Bedeutung; was ihr an der Garnisonkirche so viel gelte, das seien die großen Erinnerungen, und ein Gotteshaus, drin die Schwerins und die Zietens ständen (und wenn sie nicht drin ständen, so doch andre, die kaum schlechter wären) - eine historisch so bevorzugte Stelle wäre ihr an ihrem Trautage viel lieber als ihre Familienkirche, trotz der Särge so vieler Barbys unterm Altar. Woldemar war sehr glücklich darüber, seine Braut so preußisch-militärisch zu finden, die denn auch, als einmal die Zukunft und mit ihr die Frage nach »Verbleib oder Nichtverbleib« in der Armee durchgesprochen wurde, lachend erwidert hatte: »Nein, Woldemar, nicht jetzt schon Abschied; ich bin sehr für Freiheit, aber doch beinah mehr noch für Major.«
    Auf drei Uhr war die Trauung festgesetzt. Schon eine halbe Stunde vorher erschien der Brautwagen und hielt vor dem Schickedanzschen Hause, dessen Flur auszuschmücken sich die Frau Versicherungssekretärin nicht hatte nehmen lassen. Von der Treppe bis auf das Trottoir hinaus waren zu beiden Seiten Blumenestraden aufgestellt, auf denen die Lieblinge der Frau Schickedanz in einer Schönheit und Fülle standen, als ob es sich um eine Maiblumenausstellung gehandelt hätte. Hinter den verschiedenen Estraden aber hatten alle Hausbewohner Aufstellung genommen, Lizzi, Frau Imme und sämtliche Hartwigs und natürlich auch Hedwig, die, nach ganz kurzem Dienst im Kommerzienrat Seligmannschen Hause, vor etwa acht Tagen ihre Stelle wieder aufgegeben hatte.
    »Gott, Hedwig, war es denn wieder so was?«
    »Nein, Frau Imme, diesmal war es mehr.«
    Frommel traute. Die Kirche war dicht besetzt, auch von bloß Neugierigen, die sich, ehe die große Orgel einsetzte, die merkwürdigsten Dinge mitzuteilen hatten. Die Barbys seien eigentlich Italiener aus der Gegend von Neapel, und der alte Graf, was man ihm auch noch ansehe, sei in seinen jungen Jahren unter den Carbonaris gewesen; aber mit einem Male hab’ er geschwenkt und sei zum Verräter an seiner heiligen Sache geworden. Und weil in solchem Falle jedesmal einer zur Vollstreckung der Gerechtigkeit ausgelost würde (was der Graf auch recht gut gewußt habe), hab’ er vorsichtigerweise seine schöne Heimat verlassen und sei nach Berlin gekommen

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