Der Stechlin.
und sogar an den Hof. Und Friedrich Wilhelm IV., der ihn sehr gern gemocht, hab’ auch immer Italienisch mit ihm gesprochen.
Das Hochzeitsmahl fand im Barbyschen Hause statt, notgedrungen en petit comité, da das große Mittelzimmer, auch bei geschicktester Anordnung, immer nur etwa zwanzig Personen aufnehmen konnte. Der weitaus größte Teil der Gesellschaft setzte sich aus schon bekannten Personen zusammen, obenan natürlich der alte Stechlin. Er war gern gekommen, trotzdem ihm die Weltabgeschiedenheit, in der er lebte, den Entschluß anfänglich erschwert hatte. Tante Adelheid fehlte. »Trösten wir uns«, sagte Melusine mit einer ihr kleidenden Überheblichkeit. Selbstverständlich waren die Berchtesgadens da, desgleichen Rex und Czako, sowie Cujacius und Wrschowitz. Außerdem ein behufs Abschluß seiner landwirtschaftlichen Studien erst seit kurzem in Berlin lebender junger Baron von Planta, Neffe der verstorbenen Gräfin, zu dem sich zunächst ein Premierleutnant von Szilagy (Freund und früherer Regimentskamerad von Woldemar) und des weiteren ein Doktor Pusch gesellte, den die Barbys noch von ihren Londoner Tagen her gut kannten. Dem Brautpaare gegenüber saßen die beiden Väter, beziehungsweise Schwiegerväter. Da weder der eine noch der andre zu den Rednern zählte, so ließ Frommel das Brautpaar in einem Toaste leben, drin Ernst und Scherz, Christlichkeit und Humor in glücklicher Weise verteilt waren. Alles war entzückt, der alte Stechlin, Frommels Tischnachbar, am meisten. Beide Herren hatten sich schon vorher angefreundet, und als nach Erledigung des offiziellen Toastes das Tischgespräch ganz allgemein wieder in Konversation mit dem Nachbar überging, sahen sich Frommel und der alte Stechlin in Anknüpfung einer intimeren Privatunterhaltung nicht weiter behindert.
»Ihr Herr Sohn«, sagte Frommel, »wovon ich mich persönlich überzeugen konnte, wohnt sehr hübsch. Darf ich daraus schließen, daß Sie sich bei ihm einlogiert haben?«
»Nein, Herr Hofprediger. So bei Kindern wohnen ist immer mißlich. Und mein Sohn weiß das auch; er kennt den Geschmack oder meinetwegen auch bloß die Schrullenhaftigkeit seines Vaters, und so hat er mich, was immer das Beste bleibt, in einem Hotel untergebracht.«
»Und Sie sind da zufrieden?«
»Im höchsten Maße, wiewohl es ein bißchen über mich hinausgeht. Ich bin noch aus der Zeit von Hôtel de Brandebourg, an dem mich immer nur die Französierung ärgerte, - sonst alles vorzüglich. Aber solche Gasthäuser sind eben, seit wir Kaiser und Reich sind, mehr oder weniger altmodisch geworden, und so bin ich denn durch meinen Sohn im Hotel Bristol untergebracht worden. Alles ersten Ranges, kein Zweifel, wozu noch kommt, daß mich der bloße Name schon erheitert, der neuerdings jeden Mitbewerb so gut wie ausschließt. Als ich noch Lieutenant war, freilich lange her, mußten alle Witze von Glasbrenner oder von Beckmann sein. Beckmann war erster Komiker, und wenn man in Gesellschaft sagte. ›Da hat ja wieder der Beckmann…‹, so war man mit seiner Geschichte so gut wie raus. Und wie damals mit den Witzen, so heute mit den Hotels. Alle müssen ›Bristol‹ heißen. Ich zerbreche mir den Kopf darüber, wie gerade Bristol dazu kommt. Bristol ist doch am Ende nur ein Ort zweiten Ranges, aber Hotel Bristol ist immer prima. Ob es hier wohl Menschen gibt, die Bristol je gesehn haben? Viele gewiß nicht, denn Schiffskapitäne, die zwischen Bristol und Newyork fahren, sind in unserm guten Berlin immer noch Raritäten. Übrigens darf ich bei allem Respekt vor meinem berühmtem Hotel sagen, unberühmte sind meist interessanter. So zum Beispiel bayrische Wirtshäuser im Gebirge, wo man eine dicke Wirtin hat, von der es heißt, sie sei mal schön gewesen, und ein Kaiser oder König habe ihr den Hof gemacht. Und dazu dann Forellen und ein Landjäger, der eben einen Wilderer oder Haberfeldtreiber über den stillen See bringt. An solchen Stellen ist es am schönsten. Und ist der See aufgeregt, so ist es noch schöner. Das alles würde mir unser Baron Berchtesgaden, der da drüben sitzt, gewiß gern bestätigen, und Sie, Herr Hofprediger, bestätigen es mir schließlich auch. Denn mir fällt eben ein, Sie waren ja mit unserm guten Kaiser Wilhelm, dem letzten Menschen, der noch ein wirklicher Mensch war, immer in Gastein zusammen und viel an seiner Seite. Jetzt hat man statt des wirklichen Menschen den sogenannten Übermenschen etabliert; eigentlich gibt es aber bloß noch
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