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Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
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versteh’«, lächelte Dubslav, und dann sprach er wie zu sich selbst: »Nu ja, nu ja, das kann schon helfen. Dazwischen liegt eigentlich die ganze Weltgeschichte. Mit Bärlapp zum Einstreuen fängt die süße Gewohnheit des Daseins an, und mit Katzenpfötchen hört es auf. So verläuft es. Katzenpfötchen… die gelben Blumen, draus sie die letzten Kränze machen… Na, wir wollen sehn.«
    An demselben Abend kam Agnes und brachte die beiden Tüten, und es geschah, was beinah über alles Erwarten hinaus lag: es wurde wirklich besser. Die Geschwulst schwand, und Dubslav atmete leichter. »Dat Woater nimmt dat Woater«, an diesem Hexenspruch - den er, wenn er mit Engelke plauderte, gern zitierte - richteten sich seine Hoffnungen und seine Lebensgeister wieder auf. Er war auch wieder für Bewegung und ließ, wenn es das Wetter irgendwie gestattete, seinen Rollstuhl nicht bloß auf die Veranda hinausschieben, sondern fuhr auch um das Rundell herum und sah dem kleinen Springbrunnen zu, der wieder sprang. Ja, es kam ihm vor, als ob er höher spränge. »Findest du nich auch, Engelke? Vor vier Wochen wollt’ er nich. Aber es geht jetzt wieder. Alles geht wieder, und es ist eigentlich dumm, ohne Hoffnung zu leben; wozu hat man sie denn?«
    Engelke nickte bloß und legte die Zeitungen, die gekommen waren, auf einen neben dem Frühstückstisch stehenden Gartenstuhl, zuunterst die »Kreuzzeitung« als Fundament, auf diese dann die »Post« und zuletzt die Briefe. Die meisten waren offen, Anzeigen und Anpreisungen, nur einer war geschlossen, ja sogar gesiegelt. Poststempel: Berlin. »Gib mir mal das Papiermesser, daß ich ihn manierlich aufschneiden kann. Er sieht nach was aus, und die Handschrift is wie von ‘ner Dame, bloß ein bißchen zu dicke Grundstriche.«
    »Is am Ende von der Gräfin.«
    »Engelke«, sagte Dubslav, »du wirst mir zu klug. Natürlich is er von der Gräfin. Hier is ja die Krone.«
    Wirklich, es war ein Brief von Melusine, samt einer Einlage. Melusines Zeilen aber lauteten am Schluß: »Und nun bitt’ ich, Ihnen einen Brief beilegen zu dürfen, den unsre liebe Baronin Berchtesgaden gestern aus Rom erhalten hat, und zwar von Armgard, deren volles Glück ich aus diesem Brief und allerhand kleinen, ihrem Charakter eigentlich fernliegenden Übermütigkeiten erst so recht ersehn habe.«
    Dubslav nickte. Dann nahm er die Einlage und las.
    »Rom, im März.
    Teuerste Baronin!
    An wen könnt’ ich von hier aus lieber schreiben als an Sie? Vatikan und Lateran und Grabmal Pio Nonos, und wenn ich Glück habe, bin ich auch noch mit dabei, wenn am Gründonnerstage der große Segen gespendet wird. Man muß eben alles mitnehmen. Von Rom zu schwärmen ist geschmacklos und überflüssig dazu, weil man an die Schwärmerei seiner Vorgänger doch nie heranreicht. Aber von unserer Reise will ich Ihnen statt dessen erzählen. Wir nahmen den Weg über den Brenner und waren am selben Abend noch in Verona. ›Torre di Londra‹. Was mich andern Tags in der Capuletti- und Montecchi-Stadt am meisten interessierte, war ein großer Parkgarten, der ›Giardino Giusti‹, mit über zweihundert Zypressen, alle fünfhundert Jahre alt und viele beinah so hoch wie das Berliner Schloß. Ich ging mit Woldemar auf und ab, und dabei berechneten wir uns, ob wohl die schöne Julia hier auch schon auf- und abgegangen sei? Nur eins störte uns. Zu solcher Prachtavenue von Trauerbäumen gehört als Abschluß notwendig ein Mausoleum. Das fehlt aber. Im ›Giardino Giusti‹ trafen wir Hauptmann von Gaza vom ersten Garderegiment, der, von Neapel kommend, bereits alle Schönheiten Italiens gesehen hatte. Wir fragten ihn, ob Verona, wie einem beständig versichert wird, wirklich die ›italienischste der italienischen Städte‹ sei? Hauptmann von Gaza lachte. ›Von Potsdam‹, so meinte er, ›könne man vielleicht sagen, daß es die preußischste Stadt sei. Aber Verona die italienischste? Nie und nimmer.‹
    Über das vielgefeierte Venedig an dieser Stelle nur das eine. Unser Hotel lag in Nähe einer mit Barock überladenen Kirche: San Mosé. Daß es einen Sankt Moses gibt, war mir fremd und verwunderlich zugleich. Aber gleich danach dacht’ ich an unsere Gendarmentürme und war beruhigt. Moses geht doch immer noch vor Gendarm.
    Florenz überspring’ ich und erzähle Ihnen dafür lieber vom Trasimenischen See, den wir auf unserer Eisenbahnfahrt passierten. Woldemar, ein ganz klein wenig ›Taschen-Moltke‹, mochte nicht darauf verzichten, den

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